Rechtsprechung
OLG München, Urteil vom 11.09.2008 - 29 U 3629/08
Affiliate-Werbung auf jugendgefährdenden Internetseiten - Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung des Advertisers für Werbung auf Internetseiten mit rechtswidrigen, jugendgefährdenden Inhalten.
UWG §§ 3, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2; JMStV § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; StGB §§ 130, 130a, 131, 184; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 103 Abs. 2; JuSchG § 15 Abs. 2;
Leitsätze:*1. Insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut des Gesetzes wiederholen, sind grundsätzlich
als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (BGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 22/05,
MIR 2008, Dok. 145 - Umsatzsteuerhinweis).
Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret
gefasst ist und auch zwischen den Parteien kein Streit besteht, welche von mehreren Verhaltensweisen ihm unterfällt.
Dies gilt ebenfalls, wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist (BGH GRUR 2007, 607 -
Telefonwerbung für "Individualverträge") und allein die Prüfung ansteht, ob der den Wortlaut der Norm wiederholende
Klageantrag zu weit geht und insoweit unbegründet ist (BGH, Urteil vom 13.03.2003 - Az. I ZR 143/00 - Erbenermittler).
2. Ein zivilrechtlicher Unterlassungsantrag, der einen Straftatbestand in Bezug nimmt (hier: §§ 130, 130a, 131, 184 StGB) genügt
regelmäßig den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Strafnormen unterliegen dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art.
103 Abs. 2 GG, wodurch sichergestellt wird, dass jedermann sein Verhalten auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich
einrichten kann und keine unvorhersehbaren (staatlichen) Reaktionen befürchten muss (vgl. BVerfGE 105, 135). Der
zivilrechtlich in Anspruch Genommene bedarf insoweit keines weitergehenden Schutzes.
3. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft oder andauern lässt, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht
geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen
des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen (BGH, Urteil vom 12.07.2007 - Az. I ZR 18/04,
MIR 2007, Dok. 325 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Hierbei konkretisiert
sich eine solche wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht hinsichtlich fremder rechtsverletzender Internetinhalte zunächst als
Prüfungspflicht. Eine Haftung von Unternehmen für deren Werbung auf Websites mit rechtswidrigen Angeboten (hier:
jugendgefährdende Schriften bzw. Inhalte) kann insoweit nicht von vorne herein ausgeschlossen sein, da sich ansonsten empfindliche
Lücken im Rechtschutz gegen die Aufrechterhaltung der damit verbundenen wettbewerbswidrige Zustände ergeben würden.
4. Wer Internetangeboten bzw. dessen Betreibern mit wettbewerbswidrigen Inhalten als Werbender (Advertiser oder Merchant)
Zahlungen für die dort platzierte Werbung leistet, unterstützt diese bei deren Wettbwerbsverstößen. Die entgeltliche Werbung lässt
insoweit die von den Internetseiten ausgehende wettbewerbsrechtlichen Gefahr andauern.
5. Eine Handlungspflicht der werbenden Unternehmen entsteht, sobald diese Kenntnis von konkreten Inhalten des für ihre Werbung
vorgesehenen Internetauftritts erlangen, bei denen klar erkennbar ist, dass sie dauerhaft und in erheblichem Ausmaß
rechtswidrig (hier: jugendgefährdend) sind. Ab Kenntnis entsteht ein lauterkeitsrechtliches Handlungsgebot (mit Verweis auf
BGH, Urteil vom 12.07.2007 - Az. I ZR 18/04,
MIR 2007, Dok. 325 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
6. Kann sich ein Werbetreibender die gebotenen Einflussnahmemöglichkeiten auf seine Werbepartner (Affiliates) hinsichtlich
der Ausrichtung und Platzierung seiner Werbung nicht ausreichend verschaffen, kann es ihm obliegen, die
von ihm durch einen Werbeauftrag hervorgerufene Gefahr der wettbewerbswidrigen Werbung durch Kündigung des Werbevertrages zu beseitigen.
7. Der Unterlassungsanspruch setzt eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr voraus. Hierbei ist für die Annahme
einer Wiederholungsgefahr die Verletzung nach Begründung von Prüfungs- und Handlungspflichten erforderlich
(mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 12.07.2007 - Az. I ZR 18/04,
MIR 2007, Dok. 325
- Jugendgefährdende Medien bei eBay).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 30.09.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1761
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