Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 05.06.2008 - I ZR 108/05
POST II - Der Begriff "POST" ist eine Angabe über ein Merkmal von Dienstleistungen i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG, dessen markenmäßige Verwendung privilegiert sein kann. Zum Tatbestandsmerkmal des Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne von § 23 MarkenG.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 5, §§ 23 Nr. 2, §§ 50, 54
Leitsätze:*1. Nach § 23 Nr. 2 MarkenG, der Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL umsetzt, gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das
Recht, einem Dritten zu verbieten, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale
der Dienstleistungen, insbesondere über ihre Art oder ihre Beschaffenheit, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen,
sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.
2. Die Vorschrift unterscheidet nicht nach den verschiedenen Möglichkeiten der Verwendung der in § 23 Nr. 2 MarkenG
genannten Angaben. Die Anwendung des § 23 Nr. 2 MarkenG ist deshalb nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen
des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einschließlich einer Benutzung des angegriffenen Zeichens als Marke, also zur Unterscheidung
von Waren oder Dienstleistungen, vorliegen (BGH, Urteil vom 15.01.2004 - Az. I ZR 121/01, WRP 2004, 763 - d-c-fix/CD-FIX;
BGH, Urteil vom 24.06.2004 - Az. I ZR 308/01, WRP 2004, 1285 - Regiopost/Regional Post). Entscheidend ist vielmehr, ob
die angegriffenen Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften der Dienstleistungen verwendet werden und die
Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht (Art. 6 MarkenRL) sowie nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 23 MarkenG).
3. Der Begriff "POST" bezeichnet in der deutschen Sprache einerseits die Einrichtung, die Briefe, Pakete, Päckchen und
andere Waren befördert und zustellt, und andererseits die beförderten und zugestellten Güter selbst, z.B. Briefe,
Karten, Pakete und Päckchen. Er ist daher eine Angabe über ein Merkmal von Dienstleistungen i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG
4. Das Tatbestandsmerkmal des Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne von § 23 Nr. 2 MarkenG ist richtlinienkonform auszulegen.
Danach ist von einer Unlauterkeit der Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen auszugehen, wenn die Benutzung
den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe oder Handel nicht entspricht (Art. 6 Abs. 1 MarkenRL). Der Sache nach
verpflichtet dies den Dritten, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln
(EuGH GRUR 2004, 234 Tz. 24 - Gerolsteiner Brunnen; EuGH, Urteil vom 11.9.2007 - Az. C 17/06, GRUR 2007, 971 Tz. 33 und 35 - Céline).
Dies erfordert eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (EuGH, Urteil vom 16.11.2004 - Az. C 245/02, Slg. 2004,
I 10989 = GRUR 2005, 153 Tz. 82 und 84 - Anheuser Busch; BGH, Urteil vom 01.04.2004 - Az. I ZR 23/02, WRP 2004, 1364 - Gazoz),
die Sache der nationalen Gerichte ist (EuGH, Urteil vom 17.03.2005 - Az. C 228/03, Slg. 2005, I 2337 - Gillette).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 20.07.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1689
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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