Rechtsprechung
LG Braunschweig, Urteil vom 26.03.2008 - 9 O 250/08 (022)
Markenrechtsverletzung durch AdWords-Anzeigen - Die Verwendung eines geschützten Zeichens als Keyword in einer AdWords-Kampagne kann Zeichenrechte verletzen, wenn eine markenmäßige Benutzung durch Ausnutzung der markenspezifischen Lotsenfunktion vorliegt.
MarkenG §§ 14 Abs. 2, 23 Nr. 3; MarkenRL Art. 5 Abs. 1
Leitsätze:*1. Die Verwendung eines geschützten Zeichens als Keyword in einer AdWords-Kampagne kann grundsätzlich
Zeichenrechte verletzen - ebenso wie die Verwendung als Metatag
(vgl. LG Braunschweig MMR 2007,121; Az. 9 O 2827/07 - Heinz von Heiden; zuletzt LG Braunschweig,
Urteil vom 06.02.2008, Az. 9 O 3237/07; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2007, 71 - Jette,
OLG Dresden, K&R 2007, 269; OLG Stuttgart MMR 2007, 649 - PCB-Pool). Dies gilt jedenfalls dann, wenn
eine markenmäßige Benutzung vorliegt.
2. Nicht jede Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr ist auch Markenbenutzung, da auf die Unterscheidungsfunktion
der Marke abzuheben ist (EuGH GRUR Int. 1999, 438 - BMW; EuGH GRUR 2002, 692 - Hölterhoff).
Eine Markenbenutzung im Sinne einer Verletzungshandlung nach Art. 5 Abs. 1 MarkenRL, entsprechend § 14 Abs. 2 MarkenG,
setzt - jedenfalls im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes - voraus, dass die Benutzung auch der Unterscheidung
der Waren/Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. BGH GRUR 2002, 814, 815 - Festspielhaus).
3. Ist im Rahmen einer AdWords-Anzeige, mit einem geschützten Zeichen, dem Internetuser aufgrund eines Zusatzes
(hier: "Anwälte informieren über Chancen, Risiken und mögliche Ansprüche") klar, das dieses Zeichen
nicht in herkunftshinweisender Funktion, sondern vielmehr für eine branchenfremde Leistung (hier: Beratungsangebot von
Rechtsanwälten für Anleger eines bestimmten Anlagekonzepts; hier des Zeichenrechtsinhabers) verwendet wird, fehlt es
aufgrund dieser Aufmachung der Anzeige an der Lotsenfunktion des Zeichens. Die für eine Marke spezifische Lotsenfunktion besteht
aber gerade darin, in einem großen Angebot gezielt zu den eigenen Waren/Dienstleistungen hinzulenken
(LG Braunschweig, Urteil vom 15.11.2006 - Az. 9 O 1840/06 (261)).
4. Die unautorisiert Nennung eines fremden Kennzeichens im Rahmen einer AdWords-Anzeige kann darüber hinaus als
notwendige Bestimmungsangabe für ein eigenes Produkt - unter Unlauterkeitsvorbehalt - gemäß § 23 Nr. 3 MarkenG zulässig sein
(vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 18.12.2003 - Az. 3 U 117/03 - AWD-Aussteiger).
5. Auch im Fall einer identischen Zeichenverwendung im Rahmen einer AdWords-Kampagne kann aufgrund fehlender
Branchenähnlichkeit (hier: Vermögensanlage gegenüber Rechtsberatung) die für eine Markenrechtsverletzung erforderliche
Verwechslungsgefahr zu verneinen sein.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 08.05.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1611
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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