Rechtsprechung
VG Köln, Beschluss vom 16.04.2008 - 11 L 307/08
"Tastendruckmodelle" - Zur Rechtswidrigkeit der Weiterleitung von Werbeanrufen gegenüber Verbrauchern auf eine kostenpflichtige 0900-Mehrwertdienstenummer durch Tastendruck. Zur Rechtswidrigkeit sog. "Tastendruckmodelle".
TKG § 66i; UWG §§ 3, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3
Leitsätze:*1. In Werbeanrufen, bei denen keine nachweisbare Einwilligung des Endkunden vorliegt, liegt ein Verstoß
gegen die Vorschriften des UWG (hier: §§ 3, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG). Insoweit ist eine
unzumutbare Belästigung insbesondere dann anzunehmen, wenn Verbraucher ohne deren Einwilligung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG)
zu Werbezwecken angerufen werden und wenn bei einer Werbung ohne Einwilligung des Adressaten automatische
Anrufmaschinen verwendet werden (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Telefonwerbung beeinträchtigt den Angerufenen erheblich in seiner
verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre. Sie ist ein grober Missbrauch des Telefonanschlusses, weil
sie ein praktisch unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Angerufenen ermöglicht. Die
Interessen der gewerblichen Wirtschaft rechtfertigen es nicht, mit der Werbung in den engsten Lebenskreis
des Verbrauchers vorzudringen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.1999 - Az. XI ZR 76/98; VG Köln, Urteil vom 28.01.2005 - 11 K 3734/04;
VG Köln, Beschluss vom 02.07.2007 - Az. 11 K 882/07).
2. Ein Verbindungsnetzbetreiber, der Inhalteanbietern Weiterleitungsdienste zur Verfügung stellt, die bei -
insoweit von dem Verbindungsnetzbetreiber initiierten - Anrufen durch Tastendruck des Angerufenen eine Verbindung
mit einem kostenpflichtigen Mehrwertdienst herstellen, verstößt gegen § 66i Abs. 1 TKG.
In solchen Fällen liegt ein R-Gespräch vor, da keine neue, selbständige Verbindung zu dem Inhalteanbieter hergestellt wird,
sondern der Anruf nur in dem Anrufautomaten (Online Routing Manager) des Verbindungsnetzbetreibers, von dem er ohnehin ausgeht, weitergeführt wird.
Damit liegt nur ein Zwei-Personen-Verhältnis vor. § 66i TKG verbietet insofern insgesamt "Zahlungen" an den Anrufer und
unterscheidet nicht zwischen dem Verbindungsentgelt und dem Entgelt für die Dienstleistung.
3. Durch ein sog. "Tastendruckmodell" wird zudem eine - etwaig - von dem Angerufenen veranlasste Sperrung von 0900-Nummern
gezielt umgangen, da Sperrungen von Nummerngassen nur bei einem selbständigen Gespräch eingreifen. Der "Tastendruck" kann insoweit
auch nicht als kurzzeitig wirksame Aufhebung der Sprerrung von Nummerngassen angesehen werden, da das Telefon insbesondere
nicht nur vom Anschlussinhaber sondern gerade auch - berechtigterweise - von anderen Personen benutzt werden kann.
Von einer Anscheinsvollmacht des Anschlussinhabers an seine Angehörigen ist in solchen Fällen in der Regel nicht auszugehen (vgl.
BGH, Urteil vom 16.03.2006 - Az. III ZR 152/05).
4. Entsprechend ist auch ein "Tastendruckmodell" rechtswidrig, bei dem der Anruf zwar zunächst vom Endkunden ausgeht (hier:
an eine 0180-Nummer), dann aber durch Tastendruck eine Weiterleitung auf eine hochpreisige Mehrwertdienstenummer angeboten wird.
Dem Verbraucher ist in einem solchen Fall nicht schon vor dem Wählen das Kostenrisiko bekannt und er ist von dem
Weiterleitungsangebot überrascht und handelt bei einer nur kurzen Überlegungszeit zwischen Preisangabe und Weiterleitung
(hier: 3 Sekunden) nicht mehr überlegt und vorsichtig.
5. Bei der Weiterleitung von Anrufen zu Mehrwertnummern ist ein besonderer Schutz des Verbrauchers geboten.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.04.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1591
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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