Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 31.08.2007 - 6 U 48/07
AdWords-Werbung mit fremden Kennzeichen - Die Verwendung eines fremden Kennzeichens als Keyword im Rahmen einer AdWords-Werbung stellt keinen markenmäßigen Gebrauch und keine individuelle Behinderung des Mitbewerbers oder eine Ausbeutung dessen Rufes dar.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1; UWG § 4 Nr. 9b und 10
Leitsätze:*1. Ein markenmäßiger Gebrauch setzt voraus, dass das benutzte Zeichen aus Sicht der
angesprochenen Verkehrskreise (hier die Nutzer des Internets) im Rahmen des Produktabsatzes auch dazu dient,
Waren des einen Herstellers von denen anderer zu unterscheiden.
2. Im Fall von AdWords-Werbung (hier: im Rahmen von Google) mit einem (fremden) Kennzeichen liegt keine
markenäßige Benutzung vor. Der durchschnittliche Nutzer weiß nicht, dass das Suchwort in einer Internetsuchmaschine nicht nur den
Inhalt der Trefferliste, sondern auch den des Anzeigenteils beeinflusst. Er macht
sich keine Gedanken darüber, warum die Werbung eines Unternehmens neben der Trefferliste erscheint und ob dies
mit der Eingabe seines Suchwortes zusammenhängt.
3. Jedenfalls fehlt es an einer zeichenmäßigen Benutzung, da durch die Verwendung eines (fremden) Kennzeichens
als AdWord keine Vorstellung über die Herkunft der vom Werbenden angebotenen Waren hervorgerufen wird. Selbst
wenn der Nutzer durch die Eingabe der Marke auch zu den Produkten des Markeninhabers geführt wird, so löst dies keine
herkunftsbezogenen Vorstellungn dergestalt aus, dass die Produkte des Werbenden mit der fremden Marke gekennzeichent würden.
Denn der Nutzer differenziert zwischen den räumlich und farblich getrennten Plattformen, die ihm nach
der Eingabe des Suchwortes dargeboten werden (Trefferliste der Suchmaschine und Anzeigenbereiche - hier: Google).
Er wird daher nicht annehmen, die Angaben in der Trefferliste hätten die gleiche Verbindung zum Suchbergriff wie die Angaben
in dem als solchen gekennzeichneten Anzeigenteil. Jedenfalls geht der Nutzer - wenngleich möglicherweise von einer
thematischen - nicht von einer herkunftsmäßigen Verbindung aus.
4. Die Verwendung eines (fremden) Kennzeichens als Keyword im Rahmen einer AdWord-Werbung stellt keine gezielte Behinderung
des Mitbewerbers im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Abfangens von Kunden und auch keinen
Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung nach § 4 Nr. 9 lit. b UWG dar. Eine Rufausbeutung i.d.S. scheitert
bereits daran, dass der insofern erforderliche Imagetransfer (BGH GRUR 2005, 349, 353 - Klemmbausteine) zwischen Suchwort
(fremdem Kennzeichen) und Werbenden mangels herkunftsbezogener Vorstellung beim Nutzer nicht in Betracht kommt.
Indes kann ein unlauteres Abfangen von Kunden nur dann vorliegen, wenn sich der Werbende zwischen den Mitbewerber und dessen
(potenziellen) Kunden stellt, um durch unsachliche Beeinflussung des Kunden in bestehende Kundebeziehungen einzudringen
(BGH GRUR 2004, 704 - Verabschiedungsschreiben) oder um ihm eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen. Allerdings
ist der Internetnutzer, der ein Kennzeichen als Suchwort in eine Suchmaschine eingibt keineswegs schon zum Kauf entschlossen.
Vielmehr ist er gerade dabei, sich zu informieren und allenfalls auf dem Weg in den "virtuellen Laden" des Rechteinhabers.
Eine Ablenkung von dessen Webseite und Produkten liegt aber dann nicht vor, da diese weiterhin unbeeinträchtigt in der
Trefferliste erscheinen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.03.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1546
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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