Rechtsprechung
LG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2007 - 12 O 550/07
Haftung des Access-Providers - Der Access-Provider haftet für die Verbreitung rechtswidriger Inhalte auf Webseiten von Drittanbietern grundsätzlich weder aus einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht noch als Störer.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8; UrhG § 97
Leitsätze:*1. Bei der Gewährung des Zugangs zum Internet einerseits und dem Verkauf und der Vermietung von (hier: pornographischen) DVDs
über das Internet andererseits handelt es sich nicht um gleichartige Leistungen. Zwar mag die Nutzung von Angeboten im Internet
den Zugang zum Internet voraussetzen. Jedoch ist es für das Geschäftsmodell des Internet-Zugangsanbieters (Access-Providers)
irrelevant, welche Inhalte seine Kunden bei der Internetnutzung nachfragen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen
Access-Provider und dritten Diensteanbietern besteht daher grundsätzlich nicht.
2. Der Access-Provider handelt allein wegen des Zurverfügungstellen des Internetzugangs zu den Internetseiten Dritter nicht in
der Absicht den Wettbewerb einzelner Seiten von dritten Diensteanbietern zu Lasten anderer zu fördern
(Wettbewerbsförderungsabsicht). Eine Wettbewerbshandlung liegt insofern nicht vor. Dies gilt insbesondere dann, wenn
der Access-Provider nicht auf einzelne Webseiten eines Anbieters hinweist, diese leichter erreichbar macht als
andere Seiten und ihm aus dem Zugang seiner Kunden zu diesen Seiten auch kein finanzieller Vorteil erwächst und
auch dann, wenn die Internetzugangstarife minuten- oder volumenbasiert sind; jedenfalls soweit der Preis unabhängig vom Besuch
einzelner Webseiten ist.
3. Den Access-Provider trifft grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich rechtsverletzender
fremder Inhalte. Eine solche Verkehrsicherungspflicht des Telediensteanbieters würde sich insofern
als Prüfungspflicht konkretisieren, deren Bestehen und Umfang sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen
und relevanten rechtlichen Wertungen richtet (BGH, Urteil vom 12.07.2007 - Az. I ZR 18/04 - Jugendgefährdende Medien bei eBay =
MIR 2007, Dok. 325).
Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Access-Provider und der Anbieter rechtswidriger Inhalte grundsätzlich in keinerlei
vertraglicher Beziehung stehen und der Access-Provider die Gefahr der Verletzung der Interessen von Marktteilnehmern durch Dritte
nicht in zurechenbarer Weise allein durch den Internetzugang eröffnet.
4. Der Access-Provider haftet auch nicht als Störer für rechtswidrige Inhalte auf - über den durch ihn zur Verfügung gestellten
Internetzugang erreichbaren - Webseiten von Drittanbietern, da lediglich durch das Zurverfügungstellen von
Internetzugängen die Gefahr der Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten noch nicht in zurechenbarer Weise erhöht wird.
Dies gilt umso mehr, wenn der Accessprovider am wirtschaftlichen Erfolg der konkreten Webseiten nicht teilnimmt.
Bearbeiter: Ass. iur. Thomas Gramespacher
Online seit: 21.01.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1483
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 27.05.2021 - I ZR 119/20, MIR 2021, Dok. 065
Matratzen-UVP II - Die Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) ist irreführend, wenn der Werbetreibende das einzige Unternehmen ist, dass eine Matratze unter einem bestimmten Namen vertreibt
OLG Köln, Urteil vom 23.06.2023 - 6 U 178/22, MIR 2023, Dok. 079
Fragen zu den Anforderungen an die Sichtbarkeit gesundheitsbezogener Warnhinweise beim Verkauf von Zigaretten dem EuGH vorgelegt
Bundesgerichtshof, MIR 2020, Dok. 054
Lindenapotheke - Die DSGVO steht nationalen Regelungen bzw. Befugnissen zur (auch) wettbewerbsrechtlichen Verfolgung von materiell-rechtlichen Datenschutzverstößen grundsätzlich nicht entgegen. Gesundheitsdaten bei Arzneimittelbestellung
EuGH, Urteil vom 04.10.2024 - C‑21/23, MIR 2024, Dok. 079
Amazons überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb bestätigt - Erste Entscheidung zu § 19a Abs. 1 GWB
Bundesgerichtshof, MIR 2024, Dok. 034



