Rechtsprechung
LG Flensburg, Beschluss vom 24.04.2007 - 7 S 89/06
Unberechtigte Abmahnung trotz Urheberrechtsverletzung - Für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr kommt es darauf an, ob trotz der tatsächlichen Verhaltensweise des Störers die Wahrscheinlichkeit für ähnliche Verstöße beseitigt ist oder nicht.
BGB §§ 670, 683 Satz 1, 823 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 2 und Abs. 3
Leitsätze:*1. Die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs des Abmahnenden nach §§ 683 Satz 1, 670 BGB
sind nicht gegeben, wenn die Abmahnung nicht dem mutmaßlichen Willen der Abgemahnten entsprochen hat.
Der mutmaßliche Wille, ist der Wille, den der Abgemahnte bei einer objektiven Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt
der Abmahnung geäußert haben würde (vgl. OLG München NJW-RR 1988, 1013, 1015).
Für dessen Bestimmung kommt es darauf an, ob die Abmahnung dem Interesse der Abgemahnten
entsprochen hat, für diesen also objektiv nützlich
gewesen ist (vgl. OLG München NJW-RR 1988, 1013, 1015; BGH NJW-RR 1989, 970). Entscheidend ist ausschließlich
die Perspektive des Abgemahnten als Geschäftsherr; das Risiko einer unzutreffenden Einschätzung
hierüber liegt beim Abmahner. Hier ist unter anderem eine Kosten-Nutzen-Analyse einzubeziehen.
2. Für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr kommt es darauf an, ob trotz der tatsächlichen
Verhaltensweise des Störers die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher
Tätigkeiten durch den Störer beseitigt ist oder nicht (vgl. BGH GRUR 2001, 453, 455).
Eine absolute Sicherheit ist hingegen nicht erforderlich.
3. Zwar kann in Fällen einer Urheberrechtsverletzung eine Kontaktaufnahme zum Störer
vor einer Abmahnung nicht erforderlich sein, um das Kostenrisiko des Verletzten zu minimieren.
Hat der Abmahnende aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein störendes
Verhalten des Abgemahnten nicht mehr möglich gewesen ist, kann es nahe liegen den
Verletzer direkt und nicht erst im Wege der kostenverursachenden Abmahnung anzusprechen.
4. Die unberechtigte Abmahnung eines Gewerbetreibenden stellt einen schuldhaften und rechtswidrigen Eingriff
in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich um einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, der nicht anfechtbar ist (§ 522 Abs. 3 ZPO). Insbesondere weist das Gericht darauf hin, dass der entschiedene Fall eine Sonderkonstellation darstelle und schon aus diesem Grund keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1240
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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