Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 21.07.2011 - I ZR 192/09
Treppenlift - Der Listen- oder Grundpreis für ein individuell anzufertigendes Produkt gehört regelmäßig nicht zu den mitteilungsbedürftigen Bedingungen im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG, unter denen eine beworbene Verkaufsförderungsmaßnahme in Anspruch genommen werden kann.
UWG § 4 Nr. 1, Nr. 4, § 5a
Leitsätze:*1. Die Bedingungen für die Innanspruchnahme einer Verkaufsförderungsmaßnahme müssen schon zum Zeitpunkt der Werbung mitgeteilt werden.
Die Anlockwerbung, die der Unternehmer mit der Verkaufsförderungsmaßnahme bezweckt, erreicht den Verbraucher bereits durch die Werbung für eine solche Maßnahme (vgl. BGH, Urteil vom 30.4.2009 - I ZR 66/07, MIR 2009, Dok. 216 - Räumungsverkauf wegen Umbau; BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 195/07, MIR 2010, Dok. 086 - Preisnachlass nur für Vorratsware). Kann der Verbraucher nach dem Inhalt der in Rede stehenden Werbung noch nicht ohne weiteres die beworbene Preisvergünstigung in Anspruch nehmen, benötigt er allerdings noch keine umfassenden Informationen zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme (vgl. zu § 4 Nr. 5 UWG: BGH, Urteil vom 10.01.2008 - I ZR 196/05, MIR 2008, Dok. 212 - Urlaubsgewinnspiel; zu § 4 Nr. 4 UWG: BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 195/07, MIR 2010, Dok. 086 - Preisnachlass nur für Vorratsware). Unter Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des (jeweiligen) Werbemediums reicht es in solchen Fällen aus, dem Verbraucher diejenigen Informationen zu geben, für die bei ihm nach den Besonderheiten des Einzelfalls schon zum Zeitpunkt der Werbung ein aktuelles Aufklärungsbedürfnis besteht (BGH, Urteil vom 10.01.2008 - I ZR 196/05, MIR 2008, Dok. 212 - Urlaubsgewinnspiel; BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 195/07, MIR 2010, Dok. 086 - Preisnachlass nur für Vorratsware).
2. Zweck von § 4 Nr. 4 UWG ist es, der nicht unerheblichen Missbrauchsgefahr zu begegnen, die aus der hohen Attraktivität von Verkaufsförderungsmaßnahmen für den Kunden folgt, wenn durch eine solche Werbung die Kaufentscheidung beeinflusst wird, jedoch hohe Hürden für die Innanspruchnahme des ausgelobten Vorteils aufgestellt werden. Daher sollen Verkaufsförderungsmaßnahmen nur zulässig sein, wenn die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme klar und eindeutig angegeben sind (BGH, Urteil vom 11.03.2009 - I ZR 194/06, MIR 2009, Dok. 185 - Geld-zurück-Garantie II; BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 195/07, MIR 2010, Dok. 086 - Preisnachlass nur für Vorratsware). Damit der Verbraucher seine Kaufentscheidung in Kenntnis der relevanten Umstände treffen kann, muss er sich über zeitliche Befristungen der Aktion (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2008 - I ZR 120/06, MIR 2008, Dok. 318 - Räumungsfinale), eventuelle Beschränkungen des Teilnehmerkreises, Mindest- oder Maximalabnahmebedingungen (vgl.
BGH, Urteil vom 11.03.2009 - I ZR 194/06, MIR 2009, Dok. 185 - Geld-zurück-Garantie II) sowie mögliche weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme - wie etwa die vom Preisnachlass ausgeschlossenen Waren und Warengruppen - informieren können (BGH, Urteil vom 10.12.2009 - I ZR 195/07, MIR 2010, Dok. 086 - Preisnachlass nur für Vorratsware). Diese Angaben dürfen den Verbraucher nicht darüber im unklaren lassen, welche Bedingungen im Einzelfall gelten.
3. Die Informationspflicht nach § 4 Nr. 4 UWG umfasst grundsätzlich nicht die Notwendigkeit, den Preis der beworbenen Ware oder Dienstleistung anzugeben, um die Höhe des Rabatts nachvollziehbar zu machen. Bei einem Preisnachlass in Form eines "Wertgutscheins" muss der Werbende angeben, welchen Einlösewert der Gutschein hat, auf welche Waren- und Dienstleistungskäufe er sich bezieht und in welchem Zustand der Gutschein eingelöst werden muss. Demgegenüber besteht der Zweck von § 4 Nr. 4 UWG nicht darin, dem Verbraucher über die allgemeine Preisinformationspflichten hinaus eine Preisvergleichsmöglichkeit zu bieten.
4. Der Listen- oder Grundpreis für ein individuell anzufertigendes Produkt (hier: Treppenlift-Anlage) gehört nicht zu den mitteilungsbedürftigen Bedingungen im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG, unter denen eine beworbene Verkaufsförderungsmaßnahme (hier: "Wertgutschein" in Höhe von € 500) in Anspruch genommen werden kann.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.02.2012
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2386
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