Kurz notiert // Presserecht
Bundesgerichtshof
Verbreitung rechtswidriger Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen zulässig
BGH, Urteil vom 10.04.2018 - VI ZR 396/16; Vorinstanzen: OLG Hamburg, Urteil vom 19.07.2016 - 7 U 11/14; LG Hamburg, Urteil vom 13.12.2013 - 324 O 400/13
MIR 2018, Dok. 019, Rz. 1
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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.04.2018 (VI ZR 396/16) über die Zulässigkeit der Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen entschieden. Im vorliegenden Fall liege hinsichtlich der Verbreitung der - nicht von der Beklagten selbst angefertigten Aufnahmen - Filmaufnahmen keine rechtswidrige Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor.
Zur Sache:
Die Klägerin ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. Mai und 12./13. Mai 2012 drang F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Klägerin zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. F. überließ die Aufnahmen der Beklagten, die sie am 3. September 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein?" bzw. am 18. September 2012 im Rahmen der Sendung "FAKT" unter dem Titel "Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten" ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine rechtswidrige Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletze weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar seien die Filmaufnahmen - die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen - geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Das Gericht ging auch davon aus, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Klägerin berührt, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen seien hier aber nicht rechtswidrig.
Trotz rechtswidriger Filmaufnahmen: Informationsinteresse und Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen
Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen aber - so der Bundesgerichtshof - das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gelte trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von F. rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Beklagte habe sich an dem von F. begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen wurden zudem keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Die Aufnahmen dokumentieren vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe. Ann einer näheren Information über diese Umstände habe die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informierten den Zuschauer zutreffend und transportierten keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern geben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen habe die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setze sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeige die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf.
Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit"
Es entspreche der Aufgabe der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit", sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.
(tg) - Quelle: PM Nr. 072/2018 des BGH vom 10.04.2018
Zur Sache:
Die Klägerin ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. Mai und 12./13. Mai 2012 drang F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Klägerin zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. F. überließ die Aufnahmen der Beklagten, die sie am 3. September 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein?" bzw. am 18. September 2012 im Rahmen der Sendung "FAKT" unter dem Titel "Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten" ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Keine rechtswidrige Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletze weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar seien die Filmaufnahmen - die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen - geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Das Gericht ging auch davon aus, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Klägerin berührt, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen seien hier aber nicht rechtswidrig.
Trotz rechtswidriger Filmaufnahmen: Informationsinteresse und Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen
Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen aber - so der Bundesgerichtshof - das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gelte trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von F. rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Beklagte habe sich an dem von F. begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen wurden zudem keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Die Aufnahmen dokumentieren vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe. Ann einer näheren Information über diese Umstände habe die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informierten den Zuschauer zutreffend und transportierten keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern geben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen habe die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setze sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeige die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf.
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(tg) - Quelle: PM Nr. 072/2018 des BGH vom 10.04.2018
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.04.2018
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2864
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