Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 11.10.2006 - Az. 21 O 2004/06
Das Setzen eines Hyperlinks - innerhalb redaktioneller Berichterstattung - auf eine Webseite, auf der eine Software zur Umgehung eines Kopierschutzes beworben wird, stellt eine willentliche und adäquat kausale Unterstützung eines Verstoßes des Herstellers der Software gegen § 95a Abs. 3 UrhG in Gestalt der Werbung für diese Software dar.
UrhG § 95a Abs. 1 und 3; BGB § 823 Abs. 2; GG Art. 5, Art. 14
Leitsätze:*1. § 95a UrhG stellt ein Schutzgesetz i.S.d. des § 823 Abs. 2 BGB dar. Bei dem Umgehungsschutz nach § 95a UrhG handelt es sich
um ein urheberrechtliches - Ausschließlichkeitsrechte flankierendes - Recht, das den Inhabern solcher Rechte zugute kommt,
die sich wirksamer technischer Schutzmaßnahmen im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG bedienen.
2. Das Setzen eines Hyperlinks - innerhalb redaktioneller Berichterstattung - auf eine Webseite, auf der eine Software zur
Umgehung eines Kopierschutzes beworben wird, stellt eine willentliche und adäquat kausale Unterstützung eines Verstoßes des
Herstellers der Software gegen § 95a Abs. 3 UrhG in Gestalt der Werbung für diese Software dar.
3. § 95 Abs. 3 UrhG stellt eine wirksame Schrankenbestimmung der Pressefreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar. Auch die
Güterrechtsabwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits und der hinter der Schrankenbestimmung des § 95a UrhG stehenden
Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG andererseits, führt hinsichtlich des Verbots der Verlinkung der Webseite einer Software zur Umgehung eines
Kopierschutzes urheberrechtlich geschützer Werke auch innerhalb der redaktionellen Presseberichterstattung nicht zu einer derart
starken Beeinträchtigung der Pressefreiheit, dass hiergegen das Eigentumsinteresse der Urheber zurückstehen müsste. Obwohl
§ 95a UrhG und die Vorschriften des Rechts der unerlaubten Handlung und der Störerhaftung insoweit einschränkend ausgelegt werden
müssen, dass jedenfalls im Kernbereich noch eine Presseberichterstattung auch über Produkte, die einen Kopierschutz in rechtswidriger
Weise umgehen, möglich sein muss, kann hieraus eine Rechtfertigung aktiver Unterstützungshandlungen, wie sie eine Verlinkung der
betreffenden Software darstellt, allerdings nicht abgeleitet werden.
4. § 95a UrhG wird durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht dahingehend eingeschränkt, dass die Ermöglichung von Einfuhr und Verbreitung
verbotener Kopierschutzumgehungsmittel dann erlaubt wäre, wenn dies durch das Setzen eines Hyperlinks in einem redaktionellen
Beitrag bewirkt wird.
MIR 2006, Dok. 231
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/449
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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