Rechtsprechung // Zivilrecht
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 27.03.2023 - 17 W 8/23
Nur private Kontaktpflege - (Kein) Verfügungsgrund bei Sperrung eines privaten Social-Media-Kontos
ZPO §§ 935 ff., 940
Leitsätze:*1. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes hat der grundsätzlich darlegungsbelastete Verfügungskläger hinreichende Gründe für eine Dringlichkeit der Angelegenheit vorzutragen. Dies kann beispielsweise beim drohenden Eintritt eines irreparablen Zustands zu bejahen sein. Dagegen fehlt die Dringlichkeit, wenn für den Antragsteller im Falle seiner Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine Nachteile ersichtlich werden oder wenn der Antragsteller keines vorläufigen Rechtsschutzes durch eine einstweilige Verfügung - die das Ziel hat, einen möglichen Anspruch vorläufig „in der Waage zu halten“ und der Gefahr vorzubeugen, dass durch die tatsächlichen Umstände die Durchsetzung eines solchen Anspruchs im Wege einer Klage zur Hauptsache vereitelt oder wesentlich erschwert würde - bedarf, weil er sein Rechte einstweilen selbst gewahrt hat (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.10. 2022 - 3 U 2178/22). Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setzt dabei neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, was darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Entwickelt wurde die Leistungsverfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG bei Bestehen einer dringenden Not-/Zwangslage sowie im Falle einer Existenzgefährdung des Gläubigers. Sie ist auch zulässig, wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist und die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung einer Klage zur Hauptsache praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.12.2018 - 18 W 1873/18).
2. Im Falle der Sperrung des privat genutzten Social-Media-Kontos und des Antrags im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Sperrung wegen eines Hackerangriffs versteht sich der Verfügungsgrund nicht von selbst, sondern bedarf der besonderen Begründung.
3. Die Untersagung der Löschung des Kontos kann ausreichen, um dem Sicherungsinteresse des Antragstellers zu genügen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.05.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3279
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 27.07.2017 - I ZR 162/15, MIR 2018, Dok. 003
Entgangener Gewinn - Die Schadensberechnung nach dem entgangenen Gewinn im Wettbewerbsrecht erfordert die Darlegung der Kalkulationsgrundlagen des Verletzten und den Nachweis der Kausalität zwischen Verletzung und Schaden
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.10.2021 - 6 U 147/20, MIR 2022, Dok. 001
Feststellung des BKartA bestätigt - Apple hat eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb
Bundesgerichtshof, MIR 2025, Dok. 024
36 Monate Garantie - Irreführung bei einer Garantiewerbung, wenn der Werbende nicht über die volle Laufzeit Garantiegeber ist und zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung im Sinne von § 12 Abs. 1 UWG
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.11.2021 - 6 U 121/21, MIR 2021, Dok. 097
Influencerwerbung bei Instagram - Die Kennzeichnung von Werbung mit dem Hashtag #ad am Ende eines Posts in sozialen Medien ist nicht ausreichend
OLG Celle, Urteil vom 08.06.2017 - 13 U 53/17, MIR 2017, Dok. 034



