Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 39/08
Session-ID - Das Setzen eines Hyperlink auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk in Form eines Deep Link kann das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung verletzen, wenn dabei eine vom Berechtigen eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird.
UrhG §§ 2, 19a, 95a Abs. 1; ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Leitsätze:*1. Das Setzen eines Hyperlinks auf ein, im Rahmen einer öffentlich zugänglich gemachten Website veröffentlichtes, urheberechtlich geschütztes Werk, greift auch dann nicht in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) ein, wenn es sich dabei um einen sogenannten Deep Link handelt, der unter Umgehung der Startseite (direkt) auf andere Seiten der Website führt. Wer einen solchen Link setzt, nimmt keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern (nur) den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Durch einen solchen Link wird das Weder weder selbst öffentlicht zum Abruf bereit gehalten, noch auf Abruf an Dritte übermittelt. Vielmehr entscheidet (nach wie vor) derjenige, der das betreffende Werk ins Internet gestellt hat, ob das Werk der Öffentlichtkeit zugänglich bleibt. Wird die Website mit dem Werk gelöscht, geht der Link ins Leere. Zwar ist einem Nutzer, der die URL als genaue Bezeichnung des Fundorts der Website im Internet noch nicht kennt, der Zugang zu dem Werk durch den (Deep-) Hyperlink erst ermöglicht und damit das Werk im Wortsinn zugänglich gemacht; dies ist aber auch bei einem Hinweis auf ein Druckwerk oder eine Website in der Fußnote einer Veröffentlichung nicht anders (mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 17.07.2003 - I ZR 259/00 - Paperboy).
2. Wird ein urheberechtlich geschüztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich gemacht, haftet derjenige, der einen Hyperlink bzw. Deep Link hierauf setzt nicht als Störer oder Täter, weil der Berechtigte dadurch bereits selbst den Nutzern die Vervielfältigung ermöglicht und den Zugang eröffnet hat und er Linksetzende die ohnehin mögliche Vervielfältigung und den ohnehin eröffeneten Zugang lediglich erleichtert (BGH, Urteil vom 17.07.2003 - I ZR 259/00 - Paperboy). Bedient sich der Berechtigte aber technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er
das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer (dann) einen Hyperlink setzt, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffnet einen Zugang, der ansonsten nicht bestünde.
3. Bedient sich ein Berechtigter einer technischen Schutzmaßnahme, um den öffentlichen Zugang zu einem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahme einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes aus § 19a UrhG ein. Bei der technischen Schutzmaßnahme muss es sich nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme im Sinne des § 95a UrhG handeln.
Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahme den Willen des Berechtigten erkennbar macht, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem vorgesehenen Weg zu ermöglichen.
4. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an einem wesentlichen Mangel, wenn das bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasste Urteil nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Auch wenn ein solcher Mangel vorliegt, muss das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil nicht zwingend aufheben und die Sache an das Gericht erster Instanz zurückverweisen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 10.11.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2259
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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