Kurz notiert
Amtsgericht München
Schwebend unwirksam und überraschend - Keine "Mitgliedschaft" Minderjähriger bei Internet-Abo-Angeboten ohne Einwilligung oder Genehmigung. Im ungegliederten Fließtext solcher Webseiten enthaltene Engelt- und Laufzeitvereinbarungen sind unwirksam.
AG München Urteil vom 18.02.2009 - Az. 262 C 18519/08
MIR 2009, Dok. 056, Rz. 1
1
Die "Mitgliedschaft" Minderjähriger bei Internet-Abo-Angeboten kommt
nur dann zustande, wenn deren Erziehungsberechtigte eingewilligt bzw. genehmigt haben, oder der später volljährig
gewordene Minderjährige seine Genehmigung (nachträglich) erteilt (vgl. §§ 107, 108 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).
Auf einer solchen (Abo-) Webseite in einem ungegliederten Fließtext versteckt enthaltene Entgelt- und Laufzeitvereinbarungen
sind in der Regel überraschend und daher unwirksam (vgl. § 305c BGB). Dies entschied das AG München mit Urteil
vom 18.02.2009 (Az. 262 C 18519/08).
Zur Sache
Der Kläger rief Anfang 2006 im Internet eine "Flirtseite" auf. Zu diesem Zeitpunkt war er noch minderjährig. Auf dieser Seite wurde eine "Probemitgliedschaft" für 99 cent angeboten. Der Kläger nahm dieses Angebot durch Angabe seiner persönlichen Daten und Anklicken eines Kästchens (ein so genannter "Check-Button") an. Einige Zeit später wurden vom Konto des Klägers 72,00 Euro abgebucht. Dieser Abbuchung widersprach er. 2007 erfolgte eine weitere Abbuchung, welcher der Kläger wiederum widersprach. 2008 wurden erneut 72,00 Euro abgebucht. Hier versäumte der Kläger jedoch den rechtzeitigen Widerspruch und verlangte deshalb von der Betreibern der Flirtseite die Rückzahlung des Betrages. Er habe die Seite schließlich nie genutzt. Die Betreiberin und spätere Beklagte berief sich auf die "Mitgliedschaft" des Klägers.
Entscheidung des Gerichts: Vertragschluss sowie Entgelt- und Laufzeitvereinbarungen unwirksam
Das AG München gab nun dem Kläger Recht. Das Gericht verurteile die Betreiberin der Internetseite zur Rückzahlung der 72,00 Euro und wies die Widerklage auf Zahlung weiterer Mitgliedsbeiträge zurück.
Kein wirksamer Vertragschluss mangels Einwilligung und Genehmigung
Eine Mitgliedschaft sei im vorliegenden Fall nicht wirksam vereinbart worden. Der von dem Kläger getätigte Vertragsabschluss sei, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre alt war, schwebend unwirksam gewesen. Da weder seine Eltern, noch nachträglich (nach Vollendung seines 18. Geburtstages) der Kläger selbst diesen Vertrag genehmigt habe, sei eine Wirksamkeit nicht eingetreten. Eine stillschweigende Genehmigung (z.B. durch Nutzung des Portals) habe nicht vorgelegen.
Keine wirksame Vereinbarung über "Mitgliedbeiträge" und Vertragslaufzeiten im ungegliederten Fließtext
Außerdem seien die Mitgliedsbeiträge nicht wirksam vereinbart worden. Angesichts der Hervorhebung des Preises von 0,99 Euro (für die "Probemitgliedschaft") sei der im nachfolgenden ungegliederten Fließtext versteckte Mitgliedsbeitrag von 72,00 Euro überraschend und daher unwirksam. Das gleiche gelte für eine enthaltene Verlängerungsklausel. Diese befinde sich unter dem Punkt "Zahlung und Preise" und nicht etwa unter "Vertragslaufzeit und Verlängerung".
Das Urteil ist rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM des AG München vom 09.03.2009
Zur Sache
Der Kläger rief Anfang 2006 im Internet eine "Flirtseite" auf. Zu diesem Zeitpunkt war er noch minderjährig. Auf dieser Seite wurde eine "Probemitgliedschaft" für 99 cent angeboten. Der Kläger nahm dieses Angebot durch Angabe seiner persönlichen Daten und Anklicken eines Kästchens (ein so genannter "Check-Button") an. Einige Zeit später wurden vom Konto des Klägers 72,00 Euro abgebucht. Dieser Abbuchung widersprach er. 2007 erfolgte eine weitere Abbuchung, welcher der Kläger wiederum widersprach. 2008 wurden erneut 72,00 Euro abgebucht. Hier versäumte der Kläger jedoch den rechtzeitigen Widerspruch und verlangte deshalb von der Betreibern der Flirtseite die Rückzahlung des Betrages. Er habe die Seite schließlich nie genutzt. Die Betreiberin und spätere Beklagte berief sich auf die "Mitgliedschaft" des Klägers.
Entscheidung des Gerichts: Vertragschluss sowie Entgelt- und Laufzeitvereinbarungen unwirksam
Das AG München gab nun dem Kläger Recht. Das Gericht verurteile die Betreiberin der Internetseite zur Rückzahlung der 72,00 Euro und wies die Widerklage auf Zahlung weiterer Mitgliedsbeiträge zurück.
Kein wirksamer Vertragschluss mangels Einwilligung und Genehmigung
Eine Mitgliedschaft sei im vorliegenden Fall nicht wirksam vereinbart worden. Der von dem Kläger getätigte Vertragsabschluss sei, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre alt war, schwebend unwirksam gewesen. Da weder seine Eltern, noch nachträglich (nach Vollendung seines 18. Geburtstages) der Kläger selbst diesen Vertrag genehmigt habe, sei eine Wirksamkeit nicht eingetreten. Eine stillschweigende Genehmigung (z.B. durch Nutzung des Portals) habe nicht vorgelegen.
Keine wirksame Vereinbarung über "Mitgliedbeiträge" und Vertragslaufzeiten im ungegliederten Fließtext
Außerdem seien die Mitgliedsbeiträge nicht wirksam vereinbart worden. Angesichts der Hervorhebung des Preises von 0,99 Euro (für die "Probemitgliedschaft") sei der im nachfolgenden ungegliederten Fließtext versteckte Mitgliedsbeitrag von 72,00 Euro überraschend und daher unwirksam. Das gleiche gelte für eine enthaltene Verlängerungsklausel. Diese befinde sich unter dem Punkt "Zahlung und Preise" und nicht etwa unter "Vertragslaufzeit und Verlängerung".
Das Urteil ist rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM des AG München vom 09.03.2009
Online seit: 09.03.2009
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