Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 99/08
Preiswerbung ohne Umsatzsteuer - Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer an die Allgemeinheit gerichteten (Internet-) Werbung mit Preisen ohne Umsatzsteuer.
PAngV § 1 Abs. 1 Satz 1; UWG § 4 Nr. 11, § 5a Abs. 2
Leitsätze:*1. Da die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern insbesondere die gegenüber Verbrauchern bestehenden Informationspflichten abschließend regelt, kann ein Verstoß gegen Bestimmungen der Preisangabenverordnung kann eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG nur dann begründen, wenn die von der Preisangabenverordnung aufgestellten Informationspflichten eine Grundlage im
Gemeinschaftsrecht haben.
2. Wer in einer an die Allgemeinheit gerichteten Werbung Preise für die von ihm beworbenen Gebrauchtfahrzeuge nennt, muss den Endpreis i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV angeben. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er mit privaten Letztverbrauchern keine Verträge schließt und deshalb die Vorschriften der Preisangabenverordnung nicht zur Anwendung kommen.
3. Die Frage, ob sich ein Angebot oder eine Werbung (hier: auf der Internetplattform mobile.de) nur an Wiederverkäufer und Gewerbetreibende oder zumindest auch an private Letztverbraucher richtet, ist aus der Sicht der Adressaten der Werbung zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, an welchen Abnehmerkreis der Werbende seine Anzeige richten wollte (BGH, Urteil vom 30.11.1989 - I ZR 55/87, WRP 1990, 498 - Metro III). Bei für jedermann zugänglichen Internetangeboten ist insoweit davon auszugehen, dass sie zumindest auch Privatkunden ansprechen, wenn nicht eindeutig, hervorgehoben und unmissverständlich eine Beschränkung auf Wiederverkäufer enthalten ist (etwa im Rahmen eines Hinweises: "Verkauf nur an Händler").
4. Zwar unterliegt ein Unternehmer, der sich mit seinem Angebot ausdrücklich nicht an Letztverbraucher, sondern nur an Wiederverkäufer wendet nicht den Vorschriften der Preisangabenverordnung, wenn er durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherstellt, dass ausschließlich gewerbliche Abnehmer betrieblich verwendbare Waren erwerben können, dabei aber Käufe für den privaten Bereich jedoch nicht vollständig unterbinden kann
(vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1977 - I ZR 179/75 - Metro I; BGH, Urteil vom 30.11.1989 - I ZR 55/87, WRP 1990, 498 - Metro III). Wendet sich der Unternehmer aber von vorneherein an den allgemeinen Verkehr, ist die Preisangabe nach den für den geschäftlichen Verkehr mit
Letztverbrauchern maßgeblichen Vorschriften der Preisangabenverordnung zu gestalten (BGH, Urteil vom 30.11.1989 - I ZR 55/87, WRP 1990, 498 - Metro III). Bereits durch eine nicht den Endpreis im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz PAngV ausweisende Werbung wird der Zweck der Preisangabenverordnung beeinträchtigt, es dem Verbraucher zu ermöglichen, seine Preisvorstellungen anhand untereinander vergleichbarer Preise zu gewinnen.
5. Nicht jede Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. Vielmehr bedarf es im Einzelfall der Feststellung, dass die beanstandete Preisauszeichnung zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von § 3 UWG führt. Bagatellverstöße gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit reichen dafür nicht aus
(BGH, Urteil vom 04.10.2007 - I ZR 182/05 - Fehlerhafte Preisauszeichnung). Es kommt darauf an, ob die Preisvergleichsmöglichkeiten der Verbraucher erheblich erschwert werden (hier abgelehnt für Preisangaben ohne und mit Umsatzsteuer im Rahmen eines Internetportals).
6. Eine an die Allgemeinheit gerichtet Preiswerbung ohne Angabe der Umsatzsteuer ist irreführend im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG, wenn sie den unzutreffenden Eindruck erweckt, bei dem jeweils angegebenen Preis handele es sich um den vom Letztverbraucher zu zahlenden Endpreis.
7. Die Relevanz einer irreführenden Werbung über den Endpreis braucht sich nicht in einem Umsatzgeschäft mit dem getäuschten Verbraucher niederzuschlagen. Sie kann sich auch daraus ergeben, dass die Werbung geeignet ist, Interessen der Mitbewerber zu beeinträchtigen, indem sie deren Preise in ein ungünstiges Licht rückt.
8. Für ein (konkretes) Wettbewerbsverhältnis ist nicht erforderlich, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind. Unterschiedliche Wirtschaftsstufen sprechen nur dann gegen die Klageberechtigung, wenn eine wechselseitige Behinderung im Absatz und eine Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen von vorneherein ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 14.04.1965 - Ib ZR 72/63, WRP 1965, 253 - Warnschild). Dies ist regelmäßig nicht ohne Weiteres der Fall, wenn Waren auf derselben Internetplattform angeboten werden.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.11.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2258
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