Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 01.07.2021 - I ZR 137/20
Kaffeebereiter - Zur Darlegungs- und Beweislast bei der Beanspruchung wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes und zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung einer vermeidbaren Herkunftstäuschung
UWG § 4 Nr. 3
Leitsätze:*1. Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2015 - I ZR 107/13 - Exzenterzähne; BGH, Urteil vom 02.12.2015 -I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern; BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel; BGH, Urteil vom 14.09.2017 - I ZR 2/16 - Leuchtballon; BGH, Urteil vom 16.11.2017 - I ZR 91/16 - Handfugenpistole; BGH, Urteil vom 20.09.2018 - I ZR 71/17 - Industrienähmaschinen).
2.
a) Der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hat er diesen Anforderungen genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.
b) Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, ist auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 11.11.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3131
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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