Rechtsprechung
OGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 4Ob194/07v
Filesharing: "Eltern haften NICHT für Ihre Kinder!" - Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände sind Eltern nicht verpflichtet die Internetaktivitäten ihrer (minderjährigen) Kinder zu überwachen.
AGBGB (Österreich) § 1301; UrhG (Österreich) § 81ff
Leitsätze:*1. Gehilfe eines urheberrechtlichen (wie auch wettbewerbsrechtlichen) Verstoßes ist derjenige,
der den Täter bewusst fördert. Für seine Haftung reicht eine bloß adäquate Verursachung nicht aus,
auch er muss sich rechtswidrig verhalten. Er muss den Sachverhalt kennen, der den Vorwurf gesetzwidrigen
Verhaltens begründet (stRsp RIS-Justiz RS0026577, RS0077158, RS0079462) oder muss zumindest eine diesbezügliche Prüfpflicht
verletzen (OGH, 4 Ob 140/06a; RIS-Justiz RS0031329). Die Prüfpflicht ist allerdings auf grobe und auffallende Verstöße
beschränkt (OGH, 4 Ob 50/07t = RIS-Justiz RS0031329). Die Rechtsprechung hält der Kenntnis der Tatumstände ein
vorwerfbares Nichtkennen gleich (OGH, 4 Ob 221/03h = MR 2004, 117 - Weinatlas).
2. Zwar schafft das Zurververfügungstellen eines Computers mit Internetzugang eine adäquate Ursache für eine
spätere - über diesen Computer und Internetanschluss begangene - (Urheber-) Rechtsverletzung (hier: durch die minderjährige, 17-jährige
Tochter des Anschlussinhabers).
Bestehen indessen keinerlei Anhaltspunkte, muss der Anschlussinhaber nicht damit rechnen, dass seine minderjährigen
Kinder bei Nutzung des Internets in Urheber- und/oder Werknutzungsrecht eingreifen.
3. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände sind Eltern nicht verpflichtet die Internetaktivitäten ihrer (minderjährigen) Kinder
zu überwachen. Hierbei ist zu beachten, dass die Funktionsweise von Internettauschbörsen und Filesharing-Systemen bei Erwachsenen
nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können. Handlungs- und Prüfpflichten können sich erst nach Kenntnis
des Anschlussinhabers von einem Verstoß ergeben.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.05.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1617
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2018, Dok. 019
BLESSED - In der Benutzung des Schriftzugs BLESSED auf einem Hoddie liegt ohne Weiteres keine markenmäßige Benutzung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.06.2022 - 6 U 40/22, MIR 2022, Dok. 065
Metall auf Metall, Szene BGH V, Instanz 11 - Fragen zum urheberrechtlichen Begriff des Pastiches dem EuGH vorgelegt
Bundesgerichtshof, MIR 2023, Dok. 061
Flaschenpfand - Fragen zur Zulässigkeit der gesonderten Ausweisung des Pfandbetrags bei der Werbung für Waren in Pfandbehältern dem EuGH vorgelegt
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 060
Herstellergarantien - Keine Pflicht von Internethändlern zur Information über Herstellergarantie, wenn diese kein zentrales (wesentlichs) Merkmal des Angebots ist
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 086