Rechtsprechung
OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2008 - 2 U 12/07
Preissuchmaschinen & Preisangaben - Wird eine Preisangabe ohne Liefer- und Versandkosten in eine Preissuchmaschine eingestellt, so ist die von der Preisangabenverordnung bezweckte Vergleichbarkeit im Endpreis nicht gewährleistet. Zur Verantwortlichkeit des in einer Preissuchmaschine Werbenden für veraltete Preisangaben.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; PAngV § 1 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 6; BGB § 312b Abs. 1; Richtlinie 84/450/EWG Art. 2 Nr. 1
Leitsätze:*1. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV stellt eine Marktverhaltensregel dar. Preisangaben sollen durch eine sachlich zutreffende
und vollständige Verbraucherinformation die Preiswahrheit und Preisklarheit gewährleisten und durch optimale
Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber den Unternehmern stärken und fördern (BGH, Urteil vom 04.10.2007 -
Az. I ZR 143/04 - Versandkosten = MIR 2007, Dok. 412; BGH, GRUR 1997, 767, 769 - Brillenpreis II; BGH GRUR 1999, 762, 763 - Herabgesetzte
Schlussverkaufspreise; BGH GRUR 2003, 971, 972 - Telefonischer Auskunftsdienst).
2. Der wettbewerbsrechtliche Begriff der Werbung, der aufgrund der Einheit der Rechtsordnung auch in § 1 PAngV Anwendung findet, ist
nach Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 84/450/EWG (Irreführungsrichtlinie) als "jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks
oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen,
Rechte und Verpflichtungen zu fördern" definiert. Werbung setzt daher eine irgendwie geartete Äußerung gegenüber Dritten mit dem
Ziel der Absatzförderung voraus (vgl.
BGH, Urteil vom 9.02.2006 - Az. I ZR 124/03 - Rechtsanwalts-Ranglisten = MIR 2006, Dok. 117). Nicht erforderlich ist, dass die Handlung
unmittelbar gegenüber demjenigen vorgenommen wird, der letztlich zu einem Vertragsschluss veranlasst werden soll (hier:
Einstellen von Angeboten in eine Preissuchmaschine).
3. Wer nur wirbt muss keine Preise angeben. Wenn der Unternehmer aber unter Angabe von Preise wirbt, muss er grundsätzlich
vollständige Angaben machen (BGH GRUR 1999, 264, 267 - Handy für 0,00 DM). Eine Werbung unter Angabe von Preisen liegt vor,
wenn ein Einzelpreis oder ein bestimmter Preisbestandteil angegeben wird (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2005, 87, 88;
hier: Preissuchmaschine).
4. Nach § 1 Abs. 2 PAngV ist bei Angeboten im Fernabsatzhandel (§ 312b Abs. 1 BGB) zu dem Bruttopreis anzugeben, ob
zusätzlich Liefer- und Versankosten anfallen. Fallen derartige Kosten an, so ist deren Höhe anzugeben (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV -
vgl. BGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 143/04 - Versandkosten = MIR 2007, Dok. 412; OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 236, 238).
5. Die Art und Weise, in denen Hinweise gemäß § 1 Abs. 2 PAngV zu geben sind, richtet sich nach § 1 Abs. 6 PAngV. Wer Angaben
nach der Preisangabenverordnung zu machen hat, ist gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV verpflichtet, diese dem Angebot oder der
Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen (vgl.
BGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 143/04 - Versandkosten = MIR 2007, Dok. 412). Hierbei kann die Bestimmung des § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV in
unterschiedlicher Weise erfüllt werden (BGH, a.a.O.). Allerdings müssen die Angaben der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechen
(§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Soweit Waren des täglichen Gebrauchs beworben werden, ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche
Nutzer des Internets mit den Besonderheiten dieses Mediums vertraut ist und er weiß, dass Informationen zu angebotenen Waren
auf mehrere Seite verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise ("Links") verbunden sind.
6. Dem Verbraucher ist im Versandhandel allgemein bekannt, dass neben dem Endpreis mit Liefer- und Versandkosten
zu rechnen ist. Daher genügt es, wenn dem geneigten Nutzer die fraglichen Informationen von dem mit seinem eigenen Internetauftritt
Werbenden alsbald soweit leicht erkennbar und gut wahrnehmbar auf einer gesonderten Seite gegeben werden, die noch vor Einleitung des
Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss. Der Verbraucher benötigt die Angaben nach der Preisangabenverordnung
bereits wenn er sich mit Angebot näher befasst. Sie müssen bereits dem Angebot oder der Werbung eindeutig zugeordnet sein.
Eine Angabe erst nach Einlegen der Ware in den "virtuellen Warenkorb" genügt den Anforderungen des § 1 Abs. 6 PAngV nicht (BGH,
Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 143/04 - Versandkosten = MIR 2007, Dok. 412).
7. Wird eine Preisangabe ohne Liefer- und Versandkosten in eine Preissuchmaschine eingestellt, so ist die von der
Preisangabenverordnung bezweckte Vergleichbarkeit im Endpreis nicht gewährleistet, und zum anderen erliegt der Verbraucher der
durch die bloße Preisangabe vorgegebenen Weichenstellung bereits dann, wenn er sich über eine "Link" in das virtuelle Ladenlokal
des über die Preissuchmaschine Werbenden begibt.
8. Die Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV muss auch derjenige Unternehmer einhalten, der Ware in ein Internetangebot Dritter
(hier: eine Internet-Preissuchmaschine) einstellt oder einstellen lässt. Der Werbende ist insoweit voll verantwortlich dafür,
dass seine Werbung bzw. Angebote den rechtlichen Anforderungen genügen.
9. Kommt es aufgrund einer nachträglichen Preisänderung durch den mittels einer Preissuchmaschine Werbenden zu einer
Abweichung des tatsächlichen von dem in einer Preissuchmaschine angegeben Preis, liegt hierin eine irreführende Werbung
i.S.v. §§ 5, 3 UWG. Insbesondere ist der Werbende für die das Handeln der von ihm beauftragten oder in eigener
Wettbewerbsabsicht unterstützten Preissuchmaschinen-Betreiber nach § 8 Abs. 2 UWG verantwortlich.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 01.07.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1661
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