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Rechtsprechung



BGH, Urteil vom 12.12.2006 - Az. VI ZR 224/05

Materiellrechtliche Kostenerstattung - Die Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung begründet nicht ohne weiteres einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch Genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr aufgewendeten Anwaltskosten.

BGB § 280, § 311, § 677ff., § 823 Be, § 826 Gi

Leitsätze:*

1. Die Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung begründet nicht ohne weiteres einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch Genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten.

2. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann sich etwa aus Vertrag, Verzug, positiver Vertragsverletzung, culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt ergeben.

3. Wird jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, dann kommen als Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch regelmäßig culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung (jetzt §§ 280, 311 BGB) oder die deliktischen Vorschriften (§§ 823, 826 BGB) in Betracht, möglicherweise auch Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB.

4. Außerhalb vertraglicher Beziehungen entsteht alleridings allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht oder jedenfalls nicht weiter verfolgt wird, keine Sonderverbindung, auf deren Grundlage dann ein Anspruch aus culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung begründet sein könnte. Ausnahmen mögen dann gelten, wenn der in Anspruch Genommene im Einzelfall besonders schutzwürdig ist.

5. Einen generellen Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt, kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen.

6. Die Abwehr des Anspruchs durch den (fälschlich) in Anspruch Genommenen ist keine dem Interesse und mutmaßlichen Willen des Anspruchstellters entsprechende Maßnahme. § 683 BGB kommt als Grundlage für eine Kostenerstattung damit nicht in Betracht (so allerdings - im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes - für einen Wettbewerbsverein: BGHZ 52, 393, 399 f.).

7. § 823 Abs. 1 BGB ist jedenfalls dann nicht einschlägig, wenn der Anspruchsteller in keines der dort genannten Rechtsgüter eingegriffen hat und der in Anspruch Genommene einen reinen Vermögensschaden erlitten hat.

8. Falls die Forderung des Anspruchstellers nachweislich ohne tatsächliche oder rechtliche Grundlage war, kann dies als Betrugsversuch und sittenwidrige vorsätzliche Schädigung anzusehen sein und sich ein Kostenerstattungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder aus § 826 BGB ergeben.

9. Eine Analoge Anwendung der Kostenvorschriften für das gerichtliche Verfahren kommt nicht in Betracht. Diese stellen gegenüber den materiellrechtlichen Anspruchsgrundlagen Ausnahmevorschriften dar, da sie an ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis anknüpfen und die Kostentragungspflicht unabhängig vom Verschulden nach dem Maß des Unterliegens regeln. Eine daran orientierte Entscheidung über die Kostentragungspflicht kann nicht gewährleisten, dass sie der materiellen Rechtslage im Einzelfall entspricht (vgl. BGHZ 83, 12, 16).

MIR 2007, Dok. 067


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 ist der Leitsatz des Gerichts. Das Gericht bemerkt weiterhin: "Die Sache ist danach unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der erkennende Senat kann die Klage - entgegen der Ansicht der Revision - nicht mit der Begründung abweisen, die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei nicht erforderlich gewesen. Zwar sind Anwaltskosten auch materiellrechtlich nur dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte (vgl. Senatsurteil BGHZ 127, 348, 351). Daran kann aber unter den Umständen des Streitfalls kein Zweifel bestehen. Auch die Revision vermag nicht ausreichend zu erläutern, aus welchem Grund die Klägerin davon hat ausgehen müssen, sie könne die mit anwaltlicher Hilfe geltend gemachte, vergleichsweise hohe Forderung des Beklagten ohne anwaltliche Hilfe erfolgreich."

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.02.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/569

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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