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Rechtsprechung



BGH, Urteil vom 12.12.2006 - Az. VI ZR 188/05

"In eigener Sache... II" - Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für ein Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene E-Mail-Werbung) verlangt werden kann.

BGB § 249 Hd, § 823

Leitsätze:*

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für ein Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene E-Mail-Werbung) verlangt werden kann.

2. Zwar gehören zu den nach § 249 Abs.1 BGB zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung grundsätzlich auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier: die unerbetene Werbemail - "Spam") adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (sogenannte "subjektbezogene Schadensbetrachtung"; vgl. Senat, BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5; 163, 362, 365; Urteil vom 7. Dezember 2004 - VI ZR 119/04 - VersR 2005, 381) zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 350 f.; Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05 - VersR 2006, 521, 522, jeweils m.w.N.).

3. Bei einer Abmahnung im Bereich des Wettbewerbsrechts ist die (Selbst-) Beauftragung eines Anwalts weder unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende in typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - NJW 2004, 2448 "Selbstauftrag").

4. Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen wird, ist für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger die Hinzuziehung eines Anwalts nicht erforderlich. In derart einfach gelagerten Fällen ist der Geschädigte - insbesondere wenn er selbst sachkundig ist - grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Anwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 351 f.;BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05 = MIR Dok. 51-2007).

5. Als "Abschlussschreiben" im außerwettbewerbsrechtlichen Bereich genügt die formlose Anfrage, ob die vorangegangene einstweilige Verfügung nunmehr als endgültige Regelung anerkannt wird. Bei dieser Sachlage unterliegt ein Abschlussschreiben geringeren Anforderungen als eine erste Abmahnung. Ist ein Abschlussschreiben aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten (hier: ein Rechtsanwalt, der schon mehrfach als Partei oder Prozessbevollmächtigter in Fällen unerwünschter E-Mail-Werbung aufgetreten ist), ein reines Routinegeschäft und werden keine schwierigen Rechtsfragen aufgeworfen, kann der Geschädigte das Abschlussschreiben - ohne Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts - selbst formulieren.

6. Hätte ein Geschädigter, der selber Anwalt ist, bei Einschaltung eines anderen Anwalts keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten gehabt, muss Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung gelten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05 = MIR Dok. 51-2007; BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03).

7. Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt, der sich selbst vor einem Prozessgericht vertritt, einen Anspruch auf Kostenerstattung wie ein bevollmächtigter Rechtsanwalt hat, kann als Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich keine Anwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03).

MIR 2007, Dok. 066


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 ist der Leitsatz des Gerichts. Vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 12.12.2006 - Az. VI ZR 175/05 = MIR Dok. 51-2007.

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.02.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/568

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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