Rechtsprechung
KG Berlin, Urteil vom 18.08.2006 - Az. 5 W 190/06
Google AdWords, Adsense u. Co - Zur Verantwortlichkeit des Werbenden bei einem Keyword Advertising - Auftrag.
MarkenG § 14 Abs. 2, 4; § 15 Abs. 2, 4
Leitsätze:*1. Bei der Beurteilung, ob der prägende Bestandteil eines Kennzeichen in einer Werbung kennzeichenrechtlich verwendet wird,
kommt es nicht darauf an, auf welchem (technischen oder vertragsrechtlichen) Weg die Beziehung zwischen dem Kennzeichen
und der Werbung hergestellt wird. Maßgeblich ist allein das dem Verkehr entgegentretende tatsächliche Ergebnis (hier: die
wahrnehmbare Werbung der Antragsgegnerin unter der Domain "sxxx.eu"). Besonderheiten technischer oder vertragsrechtlicher Art
können nur insoweit von Bedeutung sein, als sie dem Verkehr erkennbar sind und dadurch das Verständnis beeinflussen können.
2. Bestehen Domain-Namen erkennbar aus Firmenbezeichnungen, Markenwörtern oder entsprechenden Abkürzungen prägender Bestandteile,
so stellt ihre Wiedergabe auf Bildschirmen einen kennzeichenmäßigen Gebrauch im herkömmlichen Sinne dar, da sie der Verkehr ohne
weiteres als Bezeichnung des über die Internetadresse erreichbaren Unternehmens verstehen wird (KG, MMR 2004, 40; NJW 1997, 3321,
3322; OLG München, ZUM 2000, 71, 72, rechtskräftig durch Beschluss des BGH zur Nichtannahme der Revision vom 24. Mai 2000 -
I ZR 269/99; OLG Stuttgart, MMR 1998, 543; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 909; OLG Hamburg, MD 2001, 315, 320; vgl. auch BGH, GRUR
1986, 495, 496 - Fernschreibkennung).
3. Die Nutzung einer Domain im geschäftlichen Verkehr liegt schon dann vor, wenn ein bekannter Markenname als Domain
registriert wird und der Domain-Inhaber selbst zwar keine eigenen Waren oder Dienstleistungen anbietet, aber anderen Unternehmen
Platz für deren Werbung zur Verfügung stellt. Damit nutzt der Domain-Inhaber den Markennamen als Plattform zur Vermietung von
Werbung und handelt im geschäftlichen Verkehr.
4. Wird eine Marke durch einen identischen Domain-Namen benutzt und wird sie auch für die gleichen Waren oder Dienstleistungen
eingesetzt, liegt unabhängig von der Verwechslungsgefahr eine Markenverletzung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vor.
Hierbei kommt der Groß-/Kleinschreibung im Internetbereich keine relevante Bedeutung zu.
5. Mit der Vergabe eines "Schlüsselwort-Werbeauftrages" ("Keyword Advertising") unter Verwendung allgemein gehaltener Schlüsselworte
("Keywords"), über die in einem automatischen Verfahren ohne weitere Prüfung die Werbung in einem unbekannten Umfeld platziert wird,
schafft der Auftraggeber - Werbende - nicht unerhebliche Gefahren für die Verletzung von Rechten Dritter. Ihn trifft daher jedenfalls
die Verpflichtung, bekannt gewordene offenbare Rechtsverletzungen abzustellen (etwa durch einfache Beendigung der Kampagne).
Kommt er dem nicht nach, haftet er - in Kenntnis aller relevanten Tatumstände - als Täter für ein begangenes Unterlassungsdelikt.
6. Verletzer einer Unterlassungsverpflichtung (Täter) ist derjenige, der durch eine eigene Handlung (unmittelbar) als Normadressat
den objektiven Tatbestand der Verbotshandlung adäquat-kausal verwirklicht.
7. Die Unmittelbarkeit des Handlungsablaufs und eine adäquate Kausalität (hier: die Verantwortlichkeit des Werbenden bei einem
"Keyword-Advertising-Auftrag") können aber dann fehlen, wenn erst ein hinzutretendes,
vorsätzliches und eigenverantwortliches Verhalten Dritter (hier: ein vorsätzliches Handeln eines Domain-Betreibers
- auf dessen Internetseiten die "Schlüsselwort-gesteuerte" Werbung gelangt - bei der Auswahl der von ihm hinterlegten - korrespondierenden - Schlüsselworte) die Verletzungshandlung (hier: das Zusammentreffen von Kennzeichen und Werbeinhalt)
bewirkt hat.
MIR 2007, Dok. 052
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.02.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/554
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