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Rechtsprechung



BGH, Urteil vom 12.12.2006 - Az. VI ZR 175/05

"In eigener Sache..." - Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für eine Abmahnung außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene Telefonwerbung) verlangt werden kann.

BGB § 249 Hd, § 823

Leitsätze:*

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für eine Abmahnung außerhalb des Wettbewerbsrechts (hier: unerbetene Telefonwerbung) verlangt werden kann.

2. Zwar gehören zu den bei einer Schädigung gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Herstellungskosten regelmäßig die Kosten der Rechtsverfolgung, so dass auch die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig sein können. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier: unerbetener Werbeanruf) adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (so genannte "subjektbezogene Schadensbetrachtung"; vgl. BGHZ 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5; 163, 362, 365; Urteil vom 7. Dezember 2004 - VI ZR 119/04 - VersR 2005, 381) zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGHZ 127, 348, 350 f.; Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05 - VersR 2006, 521, 522, jeweils m.w.N.).

3. Im Wettbewerbsrecht ist die Beauftragung eines Anwalts für Abmahnungen - sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag als auch unter schadensersatzrechtlichem Blickwinkel - nicht erforderlich, wenn bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen der Abmahnende über hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - NJW 2004, 2448 "Selbstauftrag").

4. Vergleichbare Grundsätze gelten auch außerhalb des Wettbewerbsrechts. Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen wird, so ist es im Allgemeinen aus der Sicht des Geschädigten zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Vielmehr ist der Geschädigte in derart einfach gelagerten Fällen grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Die sofortige Einschaltung eines Anwalts kann sich nur als erforderlich erweisen, wenn der Geschädigte etwa aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. BGHZ 127, 348, 351 f.; BGH Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05).

5. Die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts erweist sich auch dann als nicht erforderlich, wenn der Geschädigte selbst über eigene Fachkenntnis und Erfahrungen zur Abwicklung des konkreten Schadensfalles verfügt.

6. Besteht im konkreten Einzelfall kein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines anderen Anwalts, gilt Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung (vgl. BGH, Urteil vom 6.05.2005 - I ZR 2/03). Auch die zeitliche Inanspruchnahme des Geschädigten für die Rechtsverfolgung reicht jedenfalls dann grundsätzlich nicht aus, um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten - auch bei dem Selbstauftrag - zu begründen, wenn es sich lediglich um einen Einzelfall handelt.

7. Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt, der sich selbst vor dem Prozessgericht vertritt, stets einen Anspruch auf Kostenerstattung wie ein mit dem Vertretenen nicht personenidentischer Rechtsanwalt hat, kann als Sonderregelung für das gerichtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich keine Anwendung finden (Best. BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03).

MIR 2007, Dok. 051


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 ist der Leitsatz des Gerichts. Das Gericht bemerkt in seiner Entscheidung abschließend: "Ob als Anspruchsgrundlage auch - wie die Revision andeutet - die §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) in Betracht gekommen wären (ständige Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht vor Einführung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG seit BGHZ 52, 393 ff. "Fotowettbewerb"), kann dahinstehen. Gemäß § 670 BGB sind nur "erforderliche" Aufwendungen zu ersetzen. Insoweit gilt Gleiches wie bereits ausgeführt."

Glücklicherweise wurde ebenfalls festgehalten: "Schuldeten hiernach die Beklagten nicht die Bezahlung der Anwaltsgebühren, so besteht auch kein Anspruch des Klägers aus Verzug auf Erstattung von 2 € für das im Mahnverfahren benutzte Formular."

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.02.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/553

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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