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Rechtsprechung



OLG Hamburg, Beschluss vom 13.11.2006 - Az. 5 W 162/06

Wettbewerbsverstoß durch unzulässige AGB-Klauseln - Nicht jede verbraucherschützende Norm ist zugleich eine solche, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln.

UWG § 4 Nr. 2, Nr. 11; BGB § 307 ff

Leitsätze:*

1. Eine AGB-Klausel, die die Rechtsstellung des Kunden ersichtlich nicht verbessert, sondern verschlechtert, ist nicht zwingend wettbewerbswidrig im Sinne des § 4 Nr. 2 UWG. Zwar kann grundsätzlich auch durch die Verwendung unwirksamer AGB die geschäftliche Unerfahrenheit im Sinne einer Rechtsunkenntnis ausgenutzt werden; indessen muss ein "Ausnutzen" vorliegen, d.h. der Verwender müsste die Unwirksamkeit der fraglichen Klausel gezielt einsetzen, um den Abschluss eines Vertrages zu erreichen, wobei bedingter Vorsatz genügt.

2. Nicht jede verbraucherschützende Norm ist zugleich eine solche, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln (vgl. § 4 Nr. 11 UWG). Bei den §§ 307 ff. BGB handelt es sich ebenso wie bei sonstigen allgemeinen Vorschriften des BGB, nach denen vertragliche Absprachen unwirksam sein können - z.B. §§ 134, 138, 242 BGB -, um Bestimmungen, die darauf gerichtet sind, das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu regeln. Insbesondere entsprechen wettbewerbsrechtliche Ansprüche eines Wettbewerbsteilnehmers nicht dem Zweck eines verletzten Gesetzes, wenn dieses nur den Schutz von Individualinteressen eines anderen Wettbewerbsteilnehmers bezweckt.

3. Allenfalls die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Verwendung sich im Markt, das heißt bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses (etwa bei der Kundenaquise) auswirkt, kann Gegenstand eines Verbots nach § 4 Nr.11 UWG sein.

4. Bei einer Teillieferungsklausel handelt es sich um eine solche, die erst nach Vertragsschluss bei der Abwicklung des Vertrages zum Tragen kommt und deren etwaige Unzulässigkeit sich aus der Einschränkung der Rechte des Kunden bei Leistungsstörungen ergibt. Selbst wenn diese Klausel also gegen § 307 Abs.1, 2 BGB i.V.m. § 266 BGB verstößt, handelt es sich bei diesem gesetzlichen Verbot nicht um ein solches, das auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

5. Vorleistungsklauseln in AGB sind zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht und keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen (etwa bei Eintrittskarten, Nachnahmesendungen, Briefmarkenauktionen). Bei einem Fernabsatzgeschäft über eBay (ausgenommen Abholung) ist eine Zug-um-Zug-Leistung nicht möglich, so dass sich nur die Frage stellt, welche Seite mit der Vorleistungspflicht belastet wird. Der Gefahr einer Nichtlieferung trotz Bezahlung ist der Käufer ebenso ausgesetzt wie der Verkäufer der Gefahr der Nichtbezahlung trotz Lieferung. Die Möglichkeit betrügerischen Handelns ist auf Seiten des Käufers nicht geringer. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Verkäufer durch die Beschaffung, Verpackung und den Versand der Ware einen höheren Aufwand hat als der Kunde mit der Bezahlung.

6. Die Vertriebsform der Internetversteigerung und ihre Funktionsweise sind dem Verbraucher unter Zugrundelegung des europäischen Verbraucherleitbildes eines Durchschnittsverbrauchers, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist (s. zuletzt Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG), ohne weiteres geläufig.

MIR 2007, Dok. 036


Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 28.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/538

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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