Rechtsprechung
OLG München, Urteil vom 28.09.2006 - Az. 29 U 2769/06
"Rabattsysteme" - Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht und ohne Zwang erfolgt. Ein solcher Zwang besteht bei einer Klausel, die eine Opt-Out-Regelung enthält jedoch nicht, weil der Verbraucher die Möglichkeit hat, die Einwilligung durch Ankreuzen nicht zu erteilen.
BGB § 305 Abs, 1, § 307; BDSG § 4a, § 28, § 29; UKlaG § 1, § 3, § 4
Leitsätze:*1. Zur Verbandsklage nach § 1 UKlaG eines Dachverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände gegen einen
Rabattverein wegen datenschutzrelevanter Klauseln im Zusammenhang mit Verträgen über die Gewährung von Rabatten.
2. Im Verbandsklageverfahren nach § 1 UKlaG kann nur der Inhalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht die Art ihrer
Einbeziehung kontrolliert werden. Formelle Mängel, die ohne inhaltliche Änderung durch eine andere äußere Gestaltung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen behoben werden können, rechtfertigen nicht ein inhaltsbezogenes Klauselverbot nach
§ 8 Nr. 2 UKlaG.
3. Zwar sind in § 305 Abs. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur vorformulierte Vertragsbedingungen genannt. Mit Rücksicht auf den Schutzzweck
des Gesetzes ist es indes geboten, auch eine vom Verwender vorformulierte einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des anderen
Teils, die im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht, den Regelungen der §§ 307 ff. BGB zu unterstellen.
4. Als gesetzliche Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, von der möglicherweise abgewichen wird, sind auch
datenschutzrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen. Insoweit kann zu prüfen sein, ob eine Klausel betreffend
der Einwilligung in Werbung und Marktforschung, die eine so genannte Opt-out-Regelung ("Auskreuzlösung") enthält, den
inhaltlichen Anforderungen genügt, die § 4a Abs. 1 BDSG an eine Einwilligung stellt.
5. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht
und ohne Zwang erfolgt. Ein solcher Zwang besteht bei einer Klausel, die eine Opt-Out-Regelung enthält, jedoch nicht, weil
der Verbraucher die Möglichkeit hat, die Einwilligung durch Ankreuzen nicht zu erteilen. Bei der Beurteilung ist nicht auf den
flüchtigen Verbraucher, sondern auf den situationsadäquat aufmerksamen und sorgfältigen Verbraucher abzustellen, welcher derartige
Klauseln nicht ungelesen aktzeptiert.
6. In der gesetzlichen Regelung des § 4 a Abs. 1 Satz 4 BDSG wird implizit vorausgesetzt, dass eine vorformulierte Einwilligung
nicht nur in Gestalt einer so genannten Opt-in-Klausel, bei der die Möglichkeit besteht, "ja" oder "nein" anzukreuzen, zulässig
ist, sondern auch in Gestalt einer Opt-Out-Klausel zulässig sein kann. Soweit Vorschriften für elektronische Einwilligungen
(vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 TDDSG, § 18 Abs. 2 Nr. 1 MDStV; ferner § 94 Nr. 1 TKG) verlangen, dass diese nur durch "eine eindeutige und
bewusste Handlung" erfolgen können, handelt es sich um Sondervorschriften, die im Anwendungsbereich des § 4a BDSG, der vor allem
den Offline-Bereich betrifft, mangels planwidriger Regelungslücke nicht analogiefähig sind.
7. Auch wenn der Verbraucher nach Formulierung einer Klausel das Risiko des Überlesens trägt, stellt dies gleichwohl vor dem
Hintergrund der bereichsspezifischen Vorschrift des § 4a Abs. 1 BDSG und im Hinblick darauf, dass nicht auf den flüchtigen
Verbraucher, sondern auf den situationsadäquat aufmerksamen und sorgfältigen Verbraucher abzustellen ist, keine
unangemessene Benachteiligung der Verbraucher dar.
8. Das Geburtsdatum stellt ein geeignetes Kriterium zur Identifizierung von Kunden sowie zur Unterscheidung namensgleicher Kunden
dar und ist auch ein geeignetes Kriterium zur Kontrolle der Einhaltung der Altersgrenze.
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist das Erheben personenbezogener Daten für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig,
wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses dient. Dies ist dann
der Fall, wenn Daten zur Erfüllung der Pflichten oder der Wahrnehmung von Rechten aus dem Vertrag gebraucht werden.
MIR 2006, Dok. 190
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.10.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/408
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