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Rechtsprechung



OLG München, Urteil vom 21.09.2006 - Az. 29 U 2119/06

Der Betreiber einer Online-Handelsplattform kann ab Eintritt der Störerhaftung nach § 101a UrhG auskunftspflichtig sein. Zu einer Störerhaftung des Diensteanbieters im Sinne des § 11 TDG kann es erst im Hinblick auf Rechtsverletzungen kommen, die einer Rechtsverletzung nachfolgen, von der dem Diensteanbieter Kenntnis verschafft wurde.

UrhG § 2, § 23, § 101a; UWG § 2 Abs. 1 Nr.1; BGB § 242, § 812; TDG § 2, § 4, § 8, § 11; TDDSG § 3, § 5, § 6; Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation Art. 6; Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums Art. 8

Leitsätze:*

1. Der Betreiber einer Online-Handelsplattform, der als Störer für Urheberrechtsverletzungen von Anbietern haftet, kann ab Eintritt der Störerhaftung nach § 101a UrhG auskunftspflichtig sein.

2. § 101a UrhG ist eine andere Rechtsvorschrift im Sinne des § 3 Abs. 2 TDDSG.

3. Die Prüfungspflicht des Diensteanbieters im Sinne des § 11 TDG wird erst durch die - im Regelfall durch Stellungnahme des Rechtsinhabers bewirkte - Kenntnis von rechtsverletzenden Fremdinformationen "aktiviert". Daraus folgt, dass es zu einer Störerhaftung des Diensteanbieters im Sinne des § 11 TDG erst im Hinblick auf Rechtsverletzungen kommen kann, die einer klaren Rechtsverletzung nachfolgen, von der dem Diensteanbieter Kenntnis verschafft wurde.

4. Verletzer im Sinne des § 101a Abs. 1 UrhG ist grundsätzlich auch der Störer, der ggf. schuldlos zu einer Urheberrechtsverletzung beigetragen hat. Insoweit steht dem Auskunftsanspruch nach § 101a UrhG nicht entgegen, dass der Störer nicht in eine Vertriebskette eingebunden ist, bei der Vervielfältigungsstücke tatsächlich in dessen Hände gelangen. Mit dem Merkmal "im geschäftlichen Verkehr" sind allein private Endnutzer von der Auskunftspflicht gänzlich ausgenommen.

5. Die Auskunftspflicht eines Störers (hier: nach § 101a UrhG) ist zeitlich auf den Zeitraum ab Eintritt der Störerhaftung zu begrenzen. Denn ein Auskunftsanspruch für den Zeitraum vor Eintritt der Störerhaftung würde mit der Wertung des § 8 Abs. 2 Satz 1 TDG, aus dem sich ein Verbot proaktiver Überwachungspflichten ergibt, kollidieren.

MIR 2006, Dok. 173


Hinweis der Redaktion: Die Leitsätze 1 und 2 sind die Leitsätze des erkennenden 29. Senats des OLG München.
Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 01.10.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/391

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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