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Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht



OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.08.2022 - 6 U 56/22

"im Vertrieb" - Zur Irreführung über die Lieferbarkeit eines Medikaments kurz vor Markteintritt und zur Erledigung, dem Wegfall der Dringlichkeit und dem Rechtsschutzbedürfnis bei einer zeitlich beschränkten einstweiligen Verfügung

UWG §§ 5, 5a

Leitsätze:*

1. Bei einer zeitlich beschränkten einstweiligen Verfügung bewirkt der Zeitablauf weder eine Erledigung noch einen Wegfall der Dringlichkeit, des Rechtsschutzbedürfnisses oder der Wiederholungsgefahr.

2. Zur lauterkeitsrechtlichen Haftung des Betreibers eines Medikamenten-Informationssystems, der ein Medikament als "im Vertrieb" listet, obwohl das Medikament aufgrund noch laufenden Patenschutzes erst ca. drei Monate später lieferbar ist.

3. Die "Nichtinformation", also das Verschweigen eines Umstandes, über den sich der Verkehr keine Gedanken macht, ist keine Angabe im Sinne von § 5 UWG und es ist der Anwendungsbereich von § 5a UWG betroffen, der Informationspflichten nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, die nicht unterlaufen werden dürfen. Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für die bloße Unvollständigkeit einer gegebenen Information, über deren fehlende Bestandteile sich der Verkehr keine Gedanken macht. Von der "Nichtinformation" bzw. der bloß unvollständigen Information abzugrenzen sind mittelbar bzw. konkludent in einer geschäftlichen Handlung enthaltene Angaben. Sie sind "Angaben" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG, denn dieser setzt nicht voraus, dass die Information in der geschäftlichen Handlung offen zu Tage tritt. Es reicht aus, wenn der angesprochene Verkehr ihr die Tatsachenbehauptungen durch Schlussfolgerung entnehmen kann. Von verschwiegenen Informationen, die nur unter den Voraussetzungen des § 5a UWG den Tatbestand der Irreführung ausfüllen, unterscheiden sich mittelbare, konkludente bzw. getarnte Angaben dadurch, dass der Verkehr der geschäftlichen Handlung selbst einen Informationsgehalt zuschreibt. Entscheidend ist deshalb, ob der durchschnittlich (angemessen) aufmerksame, verständige und informierte Verbraucher die Aussage des Unternehmers nur um die Lücke schließt, die eine vermeintlich fehlende Information lässt (dann Unterlassen), oder ob er aus den gegebenen Angaben falsche Schlüsse zieht (dann Handeln, selbst wenn korrigierende bzw. aufklärende Hinweise die Täuschungseignung beseitigen könnten).

MIR 2022, Dok. 091


Anm. der Redaktion: Leitsätze 1 und 2 sind die Leitsätze des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.11.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3234

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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