Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 93/21
7 x mehr - Zur Feststellung des Verkehrsverständnisses in Bezug auf eine angegriffene Werbeanzeige und zur Begründetheit eines Unterlassungsantrags in dem mehrere Verletzungsformen mittels "und/oder" miteinander verknüpft sind
UWG § 3a; Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Art. 3 Unterabs. 2 Buchst. a und d
Leitsätze:*1. Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsantrags ist die konkrete Verletzungsform. Nimmt ein Klageantrag mit einem Vergleichspartikel ("wie geschehen...") oder - wie im Streitfall - mit einem entsprechenden Konditionalsatz ("wenn/sofern dies geschieht wie ...") unmittelbar auf die beanstandete Anzeige Bezug, deutet dies darauf hin, dass eine konkrete Werbeanzeige untersagt werden soll, die neben den im Antrag umschriebenen Merkmalen noch eine Reihe weiterer Eigenschaften aufweist (vgl. auch BGH, Urteil vom 07.04.2011 - I ZR 34/09 - Leistungspakete im Preisvergleich, mwN).
2.
a) Für die Feststellung, welches Verständnis eine mit einem Unterlassungsantrag angegriffene Werbeanzeige und etwaige dort getroffene Werbeaussagen bei dem angesprochenen Verkehr erwecken, ist der Gesamteindruck zu würdigen, den die Werbung vermittelt, und nicht isoliert auf einzelne Elemente derselben abzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Mai 2022 - I ZR 203/20, juris Rn. 18 - Webshop Awards, mwN).
b) Ein Unterlassungsantrag, in dem mehrere Verletzungsformen durch die Formulierung "und/oder" miteinander verknüpft sind, ist nur dann in vollem Umfang begründet, wenn hinsichtlich aller damit beanstandeter Handlungsformen sowohl in ihrer Kombination als auch für sich genommen ein Unterlassungsanspruch besteht. Sieht ein Gericht nur eine von mehreren miteinander verbundenen Verletzungsformen als irreführend an, rechtfertigt dies nicht eine Abweisung des gesamten Unterlassungsantrags, sondern nur dessen teilweise Abweisung.
3. Greift eine Klagepartei verschiedene Angaben der beklagten Partei an und nimmt sie verbunden mit "und/oder" in ihren Unterlassungsantrag auf, macht sie durch diese Art der Verbindung in der Regel deutlich, dass sie die einzelnen Angaben nicht nur in ihrer Kombination zur Überprüfung stellt, sondern auch für sich genommen
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 25.08.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3198
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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