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Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht



BGH, Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 5/21

Kinderzahnärztin - Bei einer Werbung mit der Angabe "Kinderzahnärztin" und "Kieferorthopädin" unterliegt der Verkehr der Fehlvorstellung, dass diese Bezeichnung auf eine nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde hinweist

UWG § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Fall 2 Nr. 3

Leitsätze:*

1. Die Ermittlung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht. Da es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinne, sondern um die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens handelt, kann ein Rechtsfehler auch darin bestehen, dass die festgestellte Verkehrsauffassung erfahrungswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29.07.2021 - I ZR 114/20, MIR 2021, Dok. 074 - Kieferorthopädie, mwN).

2. Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört (BGH, Urteil vom 09.09.2021 - I ZR 125/20 - Influencer II). Gehören die Mitglieder des Gerichts selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verkehrsverständnis zu ermitteln ((st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29.07.2021 - I ZR 114/20, MIR 2021, Dok. 074 - Kieferorthopädie, mwN).

3. Das vom Tatgericht ermittelte Verkehrsverständnis, nach dem die angesprochenen Verkehrskreise bei einer Werbung mit der Angabe "Kinderzahnärztin" in Verbindung mit der Bezeichnung "Kieferorthopädin" erwarten, dass die sich so bezeichnende Zahnärztin über eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfügt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung einer solchen Fehlvorstellung ist es der Zahnärztin zuzumuten, auf andere Begriffe auszuweichen, die ihre besondere fachliche Qualifikation konkret benennen.

MIR 2022, Dok. 036


Anm. der Redaktion: Leitsatz 3 ist der amtliche Leitsatz des Gerichts. Vgl. zu dieser Thematik und Abgrenzung hinsichtlich der Angabe "Kinderzahnarztpraxis" auch BGH, Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 217/20, MIR 2022, Dok. 035.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.05.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3179

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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