Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 11.03.2022 - 6 W 14/22
Wettbewerbswidrige Schrottbücher - Negative Äußerungen eines Autors über Bücher von Wettbewerbern in sozialen Netzwerken kein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG
GG Art. 5 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 1
Leitsätze:*1. Herabsetzung ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers (oder seines Unternehmens und/oder seiner Leistungen) durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung; Verunglimpfung ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung und besteht in der Verächtlichmachung des Mitbewerbers ohne sachliche Grundlage (BGH, Urteil vom 01.03.2018 – I ZR 264/16 - Verkürzter Versorgungsweg II; BGH, Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 160/14 - Im Immobiliensumpf m.w.N.; BGH, Urteil vom 06.05.2021 – I ZR 167/20, MIR 2021, Dok. 058 - Vorsicht Falle). Im Hinblick auf die Gleichstellung von Herabsetzung und Verunglimpfung ist eine genaue Unterscheidung der Begriffe entbehrlich.
2. Ob eine Herabsetzung oder Verunglimpfung vorliegt, beurteilt sich nach dem Eindruck der angesprochenen oder erreichten Verkehrskreise (BGH, Urteil vom 15.10.1998 – I ZR 69/96 - Vergleichen Sie; BGH, Urteil vom 19.05.2011 - I ZR 147/09 - Coaching-Newsletter), soweit diese als Marktpartner des betroffenen Mitbewerbers in Betracht kommen. Dies erfordert eine Gesamtwürdigung, bei der die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Inhalt und die Form der Äußerung, ihr Anlass und der Zusammenhang, in den sie gestellt ist, sowie die Verständnismöglichkeiten des angesprochenen Verkehrs zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 06.05.2021 – I ZR 167/20, MIR 2021, Dok. 058 - Vorsicht Falle). Die Unzulässigkeit einer Äußerung darf also nicht aus den gewählten Formulierungen allein gefolgert werden; vielmehr ist sie im Gesamtzusammenhang zu betrachten und es ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 01.03.2018 – I ZR 264/16 - Verkürzter Versorgungsweg II). Bei der Würdigung sind beispielsweise nicht nur die unmittelbaren Äußerungen, sondern auch elektronische Verweise ("Links") auf andere Äußerungen einzubeziehen, soweit sie erkennbar als Beleg und Ergänzung einer Stellungnahme dienen sollen (BGH, Urteil vom 19.05.2011 - I ZR 147/09 - Coaching-Newsletter). Maßgeblich ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Adressaten der Äußerung (BGH, Urteil vom 19.05.2011 - I ZR 147/09 - Coaching-Newsletter; BGH, Urteil vom 01.03.2018 – I ZR 264/16 - Verkürzter Versorgungsweg II), nicht dagegen die Sichtweise des betroffenen Mitbewerbers.
3. Äußert sich ein Autor von Ratgeberbüchern auf der Plattform eines sozialen Netzwerkes negativ über Bücher von Wettbewerbern ("Schrottbücher"), liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG dann nicht vor, wenn eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ergibt, dass eine Herabsetzung nicht vorliegt.
4. Dabei kann sich zugunsten des Autors auswirken, dass über die anderen Wettbewerber nicht identifizierend berichtet wird.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.04.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3176
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 10.07.2018 - VI ZR 225/17, MIR 2018, Dok. 040
Auf die Aushändigung kommt es an - Zu den Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist und den Verlust des Widerrufsrechts (hier beim Maklervertrag)
BGH, Urteil vom 26.11.2020 - I ZR 169/19, MIR 2020, Dok. 095
Klarnamenpflicht, Facebook - Zur Wirksamkeit einer, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters vereinbarten, Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks
BGH, Urteil vom 27.01.2022 - III ZR 3/21, MIR 2022, Dok. 022
Werbung von Check24 mit "Nirgendwo Günstiger Garantie" irreführend
Landgericht Köln, MIR 2020, Dok. 034
Die datenschutzrechtlichen Informationspflichten gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. a, c und Abs. 2 lit. b, d und e DSGVO stellen Marktverhaltensregelungen dar - Art. 13 Abs. 1 Satz TMG durch DSGVO verdrängt
OLG Stuttgart, Urteil vom 27.02.2020 - 2 U 257/19, MIR 2020, Dok. 016