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Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Mittelbare Herkunftstäuschung - Wettbewerbswidriger Vertrieb nachgeahmter "Plastikuhren" trotz Kennzeichnung im Ziffernblatt

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.02.2022 - 6 U 202/20; Vorinstanz: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.11.2020 - 2/6 O 78/20

MIR 2022, Dok. 025


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Der Vertrieb einer nachgeahmten "Plastikuhr" kann trotz markenähnlicher Kennzeichnung (im Ziffernblatt) wettbewerbswidrig sein. Es kann zu einer mittelbaren Herkunftstäuschung kommen, wenn dem Verkehr bekannt ist, dass etwa für Mode- und Sportartikelhersteller Uhren in Lizenz hergestellt werden und Kooperationen mit Künstlern im Uhrenmarkt nicht unüblich sind. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 17.2.2022 (6 U 202/20) in einem entsprechenden Verfahren die dortige Beklagte dazu verurteilt, den Vertrieb nachgeahmter Plastikuhren zu unterlassen.

Zur Sache:

Die Klägerin vertreibt seit 1983 aus Kunststoff hergestellte Uhren. Die streitgegenständliche Modellserie wird in verschiedenen Designvarianten vertrieben, wobei die Klägerin hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Uhren auch mit zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Ihre Uhren sind ab einem Preis von EUR 63,00 erhältlich. Die Beklagte bot über die Plattform amazon.de Plastikarmbanduhren in unterschiedlichen Farben mit im Ziffernblatt aufgedruckten - von den klägerischen Bezeichnungen abweichenden - Kennzeichnungen zu Preisen zwischen EUR 12,48 und EUR 13,67 an.

Das Landgericht hatte die Klage auf Unterlassen des Anbietens der in der Berufung gegenständlichen Uhrenmodelle abgewiesen.

Entscheidung des Oberlandesgerichts: Unlautere Nachahmung - Gesteigerter Grad an Eigenheit

Die Berufung der Klägerin vor dem OLG hatte Erfolg. Der Vertrieb der Uhren stelle eine unlautere Nachahmung der klägerischen Uhrenmodelle dar, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Uhrenmodell der Klägerin komme eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart zu. Es handele sich um "eine sehr reduzierte Uhrenserie zu einem vergleichsweise günstigen Preis aus einem damals für Uhren ungewöhnlichen Material ... nämlich Plastik". Aufgrund der hohen Bekanntheit des Produktes sei hier von einem gesteigerter Grad an Eigenheit auszugehen. Diese wettbewerbliche Eigenart werde nicht durch "wahllos" von der Beklagten herangezogene andere "Plastikuhren" in Frage gestellt, die mit dem klägerischen Modell außer dem Material nicht viel Gemeinsames hätten. Die Beklagte habe das klägerische Modell auch nachgeahmt. Nahezu sämtliche die Eigenart begründenden Merkmale seien von ihr übernommen worden.

Mittelbare Herkunftstäuschung trotz abweichender Kennzeichnung im Ziffernblatt

Die im Ziffernblatt vorhandene abweichende Kennzeichnung schließe zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Es liege aber eine sogenannte mittelbare Herkunftstäuschung vor. Auf dem Uhrenmarkt sei es üblich, dass mit Zweitmarken operiert werde. Verbreitet würden auch Uhren über Lizenzverträge für bekannte Mode- und Sportartikellabel hergestellt. Der Verkehr nehme deshalb hier hinsichtlich der abweichenden Kennzeichnung der Uhren der Beklagten an, dass eine lizenzrechtliche Beziehung zur Klägerin bestehe oder eine Zweitmarke vorliege.

Selbstverständlich: Auch niedrigpreisige Produkte könnten einer Rufausbeutung unterliegen

Die Beklagte beute zudem den guten Ruf der Klägerin aus. Dabei komme es nicht darauf an, dass es sich hier nicht um eine Luxus-Uhr handele. Auch niedrigpreisige Produkte könnten einer Rufausbeutung unterliegen, wenn der Verkehr ihnen eine besondere Wertschätzung entgegenbringe. Hier würden die "Plastikuhren" des streitgegenständlichen Modells einen außerordentlichen Ruf genießen. "Sie sind", so das Oberlandesgericht, "das Synonym für die Produktgruppe der "Plastikuhren", die die Klägerin erstmals großflächig auf den Markt gebracht hat". An dieses positive Image habe sich die Beklagte ohne Grund in so starkem Maße angelehnt, dass sie "unlauter an der von der Klägerin durch eigene langjährige Anstrengungen am Markt erworbenen Wertschätzung profitiert", stellt das Oberlandesgericht fest.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

(tg) - Quelle: PM Nr. 24/2022 des OLG Frankfurt a.M. vom 23.03.2022

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.03.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3168
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