MIR-Newsletter

Der MIR-Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Inhalte in MEDIEN INTERNET und RECHT!

Schließen Abonnieren
MIR-Logo mobil

Logo MEDIEN INTERNET und RECHT
Logo MEDIEN INTERNET und RECHT

Kurz notiert // Wettbewerbsrecht



Bundesgerichtshof

Bindung des Mieters an einen vom Vermieter bereitgestellten Kabelanschluss verstößt aktuell nicht gegen das Telekommunikationsgesetz

BGH, Urteil vom 18.11.2021 - I ZR 106/20 - Kabel-TV-Anschluss Vorinstanzen: LG Essen, 31.05.2019 - 45 O 72/18; OLG Hamm, 28.05.2020 - I-4 U 82/19

MIR 2021, Dok. 091, Rz. 1


1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.11.2021 (I ZR 106/20 - Kabel-TV-Anschluss) entschieden, dass in Mietverträgen über Wohnraum vereinbart werden darf, dass der Mieter für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses an einen vom Vermieter zur Verfügung gestellten kostenpflichtigen Breitbandkabelanschluss gebunden ist.

Zur Sache

Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen, von denen etwa 108.000 an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen sind, über das Fernseh- und Hörfunkprogramme übertragen werden und das auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden kann. Das Entgelt, das die Beklagte für die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen über das Kabelnetz zahlt, legt sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter besteht nach den Mietverträgen keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung ihrer Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Die Klägerin sieht einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 43b TKG darin, dass die Mietverträge keine Regelung enthalten, nach der die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabelanschlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar ist, und die Beklagte nicht den Abschluss von Mietverträgen anbietet, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 43b TKG zu. Die Vorschrift des § 43b TKG sei im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern nicht anwendbar, weil das Angebot der Beklagten nicht im Sinne dieser Vorschrift öffentlich zugänglich sei.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte habe durch die Bindung ihrer Mieter an den von ihr zur Verfügung gestellten kostenpflichtigen Kabel-TV-Anschluss nicht gegen § 43b TKG verstoßen.

Bereitstellung der Kabel-TV-Anschlüsse Erbringung eines Telekommunikationsdienstes

Mit der Bereitstellung der Kabel-TV-Anschlüsse erbringe die Beklagte allerdings einen Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG. Sie stelle ihren Mietern damit einen Dienst zur Verfügung, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen besteht. Der von der Beklagten angebotene Telekommunikationsdienst sei angesichts der großen Anzahl der von der Beklagten vermieteten und mit einem Kabel-TV-Anschluss ausgestatteten Wohnungen - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - auch öffentlich zugänglich im Sinne von § 3 Nr. 17a TKG.

Keine Vereinbarung einer Mindestlaufzeit von mehr als 24 Monaten - Mietvertrag auf unbestimmte Zeit

In den von der Beklagten mit ihren Mietern geschlossenen Mietverträgen sei jedoch keine 24 Monate überschreitende Mindestlaufzeit vereinbart (§ 43b Satz 1 TKG). Die Beklagte verwehre ihren Mietern auch nicht den Abschluss von Mietverträgen mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten (§ 43b Satz 2 TKG). Die Mietverträge werden von der Beklagten vielmehr auf unbestimmte Zeit geschlossen und könnten von den Mietern - entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB - bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Eine unmittelbare Anwendung des § 43b TKG auf die von der Beklagten geschlossenen Mietverträge scheide daher aus.

Keine entsprechende Anwendung von § 43b TKG

Eine entsprechende Anwendung von § 43b TKG im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern komme nicht in Betracht. Aus der Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Regelungen gehe hervor, dass der Gesetzgeber große Wohnungsbaugesellschaften, die mit Kabel-TV-Anschlüssen ausgestattete Wohnungen vermieten und die Kosten des Kabelanschlusses als Betriebskosten auf die Mieter umlegen, nicht in den Geltungsbereich des § 43b TKG einbeziehen wollte. Dies ergebe sich auch aus der bevorstehenden Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Nach der ab dem 1. Dezember 2021 geltenden Neuregelung in § 71 Abs. 1 Satz 1 und 3 TKG könnten Verbraucher zwar die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen eines Mietverhältnisses nach 24 Monaten beenden. Diese Neuregelung sei nach der Übergangsvorschrift des § 230 Abs. 4 TKG aber erst ab dem 1. Juli 2024 anwendbar, wenn die Gegenleistung - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich als Betriebskosten abgerechnet wird.

(tg) - Quelle: PM Nr. 215/2021 des BGH vom 18.11.2021

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 18.11.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3133
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
dejure.org StellenmarktAnzeige