Rechtsprechung
OLG Koblenz, Urteil vom 25.04.2006 - Az. 4 U 1587/05
Die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde (hier gem. § 34c GewO die Gemeindeverwaltung) im Webimpressum stellt in der Regel für sich allein noch keine Wettbewerbsbeeinträchtigung zum Nachteil der Verbraucher dar und ist ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände als Bagatellverstoß zu werten. Zur Bewertung von Bagatellfällen und zur Erheblichkeitsschwelle im Wettbewerbsrecht. §§ 1, 3, 4 Nr. 11 UWG, § 6 S.1 TDG, § 34c GewO
Leitsätze (tg):
1. Der Beispieltatbestand des § 4 Nr. 11 UWGG präzesiert die zu § 1 UWG a.F. entwickelte Fallgruppe des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch und
ist vor dem Hintergrund der Schutzzweckbestimmungen in § 1 UWG zu sehen. Hierbei ist es allerdings nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, alle nur
denkbaren
Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen auch wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren. Vielmehr liegt der eigentliche Zweck des UWG
darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher und damit zugleich
das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu regeln.
2. § 6 S. 1 TDG enthält Regelungen des Markftverhaltens. Dem Verbraucher soll ohne weitere Recherchen die Kenntnis seines Vertragspartners sowie
Reklamationen und Klagezustellungen bzw. Anspruchsdurchsetzungen unproblematisch ermöglicht werden.
Weiter sollen die Mitbewerber durch die Einhaltung der Anforderungen des § 6 S.1. TDG insofern geschützt werden, als das der Internetauftritt
von Diensteanbietern bei allen Mitbewerbern den gleichen Voraussetzungen und Regeln unterliegt.
3. Die Funktion des TDG, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes festzulegen und gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen
Wettbewerber zu schaffen, ergibt sich auch aus § 1 TDG, wonach der Zweck des Gesetzes darin besteht, einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen
im Internet zu schaffen.
4. Dem Verbraucherschutz dient auch die Pflicht zur Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Sinne von § 6 S.1 Nr. 2 TDG. Denn durch die Angabe
der zuständigen Aufsichtsbehörde wird der Verbraucher in die Lage versetzt, sich bei der Behörde danach zu erkundigen, ob dem Teledienstanbieter überhaupt die
erforderliche Genehmigung (hier die behördliche Erlaubnis nach § 34c ABs. 1 GewO für Tätigkeiten der Vermittlung von Immobilien, Finanzierungen,
und Kapitalanlagen) für seine Tätigkeit erteilt worden ist.
5. Mit der Formulierung "zum Nachteil" bringt § 3 UWG zum Ausdruck, dass die Lauterkeit im Wettbewerb nicht um ihrer selbst willen geschützt wird,
sondern nur insoweit, als die Wettbewerbsmaßnahmen tatsächlich geeignet sind, zu einer Beeinträchtigung geschützter Interessen der Markteilnehmer
zu führen. Die Verfolgung von Bagatellfällen, an deren Verfolgung insbesondere kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit besteht, soll
ausgeschlossen werden (Erheblichkeitsschwelle).
6. Die Feststellung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu verfälschen, setzt eine nach objektiven und
subjektiven Momenten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung voraus, in die neben der Art und Schwere des Verstoßes
die zu erwartetenden Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts einzubeziehen ist.
7. Für eine nicht nur unerhebliche Verfälschung des Wettbewerbs reicht es nicht aus, dass der Verstoß lediglich geeignet ist, irgendeinen geringfügigen
Wettbewerbsvorsprung zu begründen. Von Bedeutung sind dabei vielmehr die jeweiligen Marktverhältnisse, wie die Größe des Unternehmens und die Zahl der
Mitbewerber auf dem Markt sowie die Art, die Schwere, die Häufigkeit oder die Dauer des Wettbewerbsverstoßes.
8. Da die Eignung zur Wettbewerbsbeeinträchtigung neben der Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung ein weiteres Tatbestandsmerkmal des
Wettbewerbsverstoßes darstellt, hat der Verletzte die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die beanstandete Wettbewerbshandlung geeignet ist, den
Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigten,
darzulegen und im Streitfall zu beweisen.
9. Die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde (hier gem. § 34c GewO die Gemeindeverwaltung) im Webimpressum
stellt in der Regel für sich allein noch keine Wettbewerbsbeeinträchtigung
zum Nachteil der Verbraucher dar und ist ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände als Bagatellverstoß zu werten.
Durch die fehlende Angabe sind insbesodnere hochrangige Rechtsgürter der Verbraucher nicht betroffen.
10. Obgleich zwar ein Informationsinteresse der Verbraucher bezüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde besteht, um die Zuverlässigkeit
des Gewerbetreibenden nachvollziehen zu können, kann diese Kenntnis aber auch ohne Schwierigkeiten auf anderem Wege erlangt werden.
Anders als bei
Informationen wie Name, Anschrift, Handelsregisteintrag und Umsatzsteuernummer, die ohne Angabe im Webimpressum nur schwerlich erlangt werden können,
ist im Besonderen die Zuständigkeit der Gemeindeverwaltung als Aufsichtsbehörde i.S.d. § 34c GewO als gemeinhin bekannt anzusehen.
MIR 2006, Dok. 098
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 16.07.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/313
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.11.2022 - 6 U 276/21, MIR 2022, Dok. 100
Weihnachtsgruß nach vier Jahren - Kein Fortbestand einer einmal erteilten Einwilligung in die Zusendung von E-Mail-Werbung nach den Umständen des Einzelfalls
AG München, Urteil vom 14.02.2023 - 161 C 12736/22, MIR 2023, Dok. 020
jameda - Ärztebewertungsportal gesellschaftlich erwünscht solange es als neutraler Informationsmittler auftritt
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2020, Dok. 039
Namensangabe - Bei einer telefonischen Kontaktaufnahme im Sinne von § 312a Abs. 1 BGB müssen nur die Identität des Unternehmers und der geschäftliche Zweck offengelegt werden, nicht aber die Identität eines anrufenden Mitarbeiters
BGH, Urteil vom 19.04.2018 - I ZR 244/16, MIR 2018, Dok. 032
ORTLIEB II - Zur Markenverwendung in Google-Anzeigen, die auch auf Produkte von Drittanbietern verweisen
BGH, Urteil vom 25.07.2019 - I ZR 29/18, MIR 2019, Dok. 027