Rechtsprechung
BGH
Urteil vom 6.04.2006 - Az. I ZR 125/03 - ("Werbung für Klingeltöne" - Eine Werbung für Handy-Klingeltöne, in der nur der nicht unerhebliche Minutenpreis angegeben wird und nicht die voraussichtlich entstehenden höheren Kosten, ist grundsätzlich geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger auszunutzen. § 4 Nr. 2 UWG)
Leitsatz (amtl.):
UWG § 4 Nr. 2
Eine Werbung für Handy-Klingeltöne, in der nur der nicht unerhebliche Minutenpreis angegeben wird und nicht die
voraussichtlich entstehenden höheren Kosten, ist grundsätzlich geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger
auszunutzen.
ergänzende Leitsätze (tg):
1. Nach § 4 Nr. 2 UWG sind Wettbewerbshandlungen unter anderem dann unlauter, wenn sie geeignet sind, die geschäftliche
Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen auszunutzen. Durch die Bestimmung sollen besonders schutzwürdige Verbraucher
vor der Ausnutzung der Unerfahrenheit bewahrt werden. Der an die Bewertung einer Wettbewerbshandlung anzulegende
Maßstab verschiebt sich insoweit zu Lasten des Unternehmers.
2. Maßgebend für die Bewertung einer Wettbewerbshandlung ist jeweils der Durchschnitt des von einer Werbemaßnahme
angesprochenen Verkehrskreises. Richtet sich der Werbende gezielt an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe (z.B. Kinder und
Jugendliche), so muss er sich an einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Angehörigen dieser Gruppe
orientieren.
3. Handlungen, die gegenüber einer nicht besonders schutzwürdigen Zielgruppe noch zulässig sind, können gegenüber geschäftlich
Unerfahrenen dementsprechend unzulässig sein.
4. Da sich die Vorschrift des § 4 Nr.2 UWG gegen ein Ausnutzen der Unerfahrenheit von Kindern und Jugenlichen richtet, ist
Voraussetzung für die Annahme der Unlauterkeit im Sinne der Vorschrift, dass sich die Werbung - zumindest auch - gezielt an
diese Zielgruppe wendet.
5. Nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen ist nach § 4 Nr. 2 UWG unlauter. Die konkrete Handlung muss vielmehr
geeignet sein, gerade die Unerfahrenheit auszunutzen. Maßgeblich ist im Besonderen, ob sich der Umstand, dass Minderjährige
typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage sind, Waren oder Dienstleistungen kritisch zu beurteilen, auf
die Entscheidung für ein unterbreitetes Angebot auswirken kann.
6. Bei einer an Minderjährige gerichteten Werbung sind höhere Anforderungen an die Tranzparenz zu stellen als bei einer Werbung
gegenüber einer weniger schutzwürdigen Zielgruppe. Den Kindern und Jugendlichen muss ausreichend deutlich gemacht werden,
welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen.
MIR 2006, Dok. 082
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.06.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/297
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