Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 28.11.2019 - I ZR 23/19
Pflichten des Batterieherstellers - Zum Vorliegen einer Marktverhaltensregelung und Notwendigkeit des Fortbestehens der Anspruchsberechtigung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
UWG §§ 3a, 8 Abs. 3 Nr. 1; BattG § 4 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:*1. Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktmitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern dient, stellt eine Marktverhaltensregelung dar, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Nicht erforderlich ist dabei eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt. Die Vorschrift muss aber zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 08.10.2015 - I ZR 225/13 - Eizellspende; BGH, Urteil vom 27.04.2017 - I ZR 215/15 - Aufzeichnungspflicht, jeweils mwN).
2. Regelungen über den Marktzutritt unterfallen als reine Marktzutrittsregelungen nur dann nicht dem Anwendungsbereich des § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF), wenn sie bestimmten Personen den Marktzutritt aus Gründen verwehren, die nichts mit deren Marktverhalten, das heißt der Art und Weise zu tun haben, wie diese Personen am Markt agieren. Eine Marktzutrittsregelung kann eine sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufweisen und damit zugleich das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regeln. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die Betätigung auf einem bestimmten Markt einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis bedarf, um im Interesse der Marktpartner, insbesondere der Verbraucher, eine bestimmte Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der angebotenen Waren oder Dienstleistungen sicherzustellen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 19; BGH, Urteil vom 23.06.2016 - I ZR 71/15 - Arbeitnehmerüberlassung, mwN). Eine Regelung, die den Marktzugang reglementiert, stellt insbesondere dann eine Marktverhaltensregelung dar, wenn sie unmittelbar auf die Herstellung der Wettbewerbsgleichheit zwischen den auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmern gerichtet ist (BGH, Urteil vom 23.06.2016 - I ZR 71/15 - Arbeitnehmerüberlassung).
3.
a) Das in § 4 Abs. 1 Satz 1 BattG geregelte Verbot des Vertriebs von Batterien ohne vorangegangene Anzeige gegenüber dem Umweltbundesamt stellt eine dem Schutz der Mitbewerber dienende Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar.
b) Eine im Zeitpunkt der Verletzungshandlung gegebene Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG besteht nicht mehr, wenn der Mitbewerber die unternehmerische Tätigkeit, die diese Anspruchsberechtigung zunächst begründet hatte, im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aufgegeben hat. Es reicht insoweit nicht aus, dass der (frühere) Mitbewerber in einem solchen Fall immerhin noch als mindestens potentieller Wettbewerber auf dem Markt anzusehen ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 10. März 2016 - I ZR 183/14, GRUR 2016, 1187 Rn. 16 - Stirnlampen, mwN).
4. Die Anerkennung eines nur potenziellen Wettbewerbsverhältnisses begründete die Gefahr einer uferlosen Ausweitung der in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG geregelten Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers. Diese muss - nicht nur potentiell - im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestehen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.02.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2953
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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