Rechtsprechung // Kartellrecht
BGH, Urteil vom 08.10.2019 - KZR 73/17
Werbeblocker III – Zur kartellrechtlichen Beurteilung eines Online-Werbeblockers (hier: Adblock Plus)
GWB § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1
Leitsätze:*1.
a) Die Wettbewerbskräfte, denen sich ein auf einem zweiseitigen Markt tätiges Unternehmen zu stellen hat, das eine Dienstleistung gegenüber einer Marktseite unentgeltlich erbringt und von der anderen Marktseite Entgelte verlangt, können in der Regel nicht ohne Betrachtung beider Marktseiten und deren wechselseitiger Beeinflussung zutreffend erfasst werden.
b) Der Anbieter einer Internetnutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellten Software, die es ermöglicht, beim Abruf werbefinanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, und der den Betreibern dieser Internetseiten gegen Entgelt die Freischaltung der blockierten Werbung durch Aufnahme in eine Weiße Liste anbietet, ist auf dem Markt der Eröffnung des Zugangs zu Nutzern, die seinen Werbeblocker installiert haben, marktbeherrschend, wenn die Betreiber dieser Internetseiten keine andere wirtschaftlich sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu diesen Nutzern haben.
2. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen nach § 18 Abs. 1 GWB, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Eine marktbeherrschende Stellung kann dabei der Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen haben. Geht es um einen möglicherweise marktbeherrschenden Anbieter, ist zunächst das Produkt (oder die Dienstleistung) zu identifizieren, das dieser anbietet. Erst auf dieser Grundlage kann sinnvoll geprüft werden, ob von anderen Anbietern angebotene Produkte aus der Sicht der Nachfrager, d.h. der (potentiellen) Abnehmer des Produkts, nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (Bedarfsmarktkonzept; sie nur BGH, Urteil vom 24.01.2017 - KZR 2/15 - Kabelkanalanlagen).
Der Senat hat das Berufungsurteil in beachtlichem Umfang aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht mit entsprechenden Hinweisen für die weitere Prüfung (Rz. 48 ff.) zurückverwiesen. Insbesondere sind zunächst Feststellungen zur markbeherrschenden Stellung von Adblock Plus durch das Berufungsgericht zu treffen. Sollte hiernach eine marktbeherrschende Stellung angenommen werden, wären unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Beklagten und der Betreiber werbefinanzierter Internetseiten sowie der Nutzer solcher Seiten zu prüfen, ob die Klägerin von der Beklagten unbillig behindert oder diskriminiert wird. (tg)
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.10.2019
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2935
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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