Rechtsprechung
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 9.02.2006 - 9 U 94/05
Ersatz der Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen bei Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung. Zu den Voraussatzung der Anerkennung von Rechtsanwaltskosten als erforderliche Aufwendung i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Leitsatz (amtl.):
Anders als bei einem Wettberwerbsverband kann bei einem großen Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung unter bestimmten
Umständen die Einschaltung eines Rechtsanwalts für eine Vielzahl wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen gegen einen
Mitbewerber als erforderliche Aufwendung anerkannt werden.
ergänzende Leitsätze (tg):
1. Der Ersatz von Anwaltskosten im Bereich wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen kann dann verlangt werden, wenn es sich um
erfolderliche Aufwendungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG handelt.
2. Für die Frage der Erforderlichkeit kommt es darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Falles aus Sicht des
Gläubigers darstellt. Können keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Verletzer seiner Unterlassungspflicht
nachkommen bzw. eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben wird, ist es grundsätzlich nicht erforderlich für die
Abmahnung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dies liegt umso näher, je einfacher und rechtlich klarer der Sachverhalt
gelagert ist.
3. In Fällen, in denen der Verletzte - ungeachtet der Eindeutigkeit des Wettbewerbsverstoßes - nicht damit rechnen musste, dass
eine von ihm selbst verfasste Abmahnung Erfolg haben wird, kann die Einschaltung eines Rechtsanwalts dennoch
erforderlich i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG sein. Hierfür kann unter anderem die Anzahl der zwischen dem Verletzten und
ein und dem selben Verletzer geführten Rechtstreitigkeiten sprechen.
4. Zwar ist anerkannt, dass im Falle einer Abmahnung eines Verbandes zur Förderung gewerblicher Interessen die Kosten für
die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig sind, solange es sich um einen Fall durchschnittlicher
Schwierigkeit handelt, der sozusagen zum Altagsgeschäft eines derartigen Verbandes gehört. Für ein Unternehmen mit eigener
Rechtsabteilung ist diese Argumentation aber nicht ohne weiteres übertragbar.
5. Da von einem Unternehmen die Einrichtung einer Rechtsabteilung - ungeachtet von der Frage der Zweckmäßigkeit der
Einrichtung einer solchen im Einzelfall - nicht verlangt werden kann, kann ein Unternehmen, welches über eine eigene
Rechtsabteilung verfügt, grundsätzlich nicht gehalten sein, der eigenen Rechtsabteilung anstelle eines Anwalts die
Ahndung von Rechtsverstößen zu übertragen. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsabteilung des Unternehmens mit vier
auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts ausgebildeten Juristen besetzt ist.
6. Die Juristen eines Unternehmens haben zunächst die Aufgabe, das Wettbewerbsverhalten des eigenen Unternehmens zu prüfen
und dieses zu beraten. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen von Mitbewerbern gehört demgegenüber keineswegs zu den
ureigenen Aufgaben eines kaufmännischen Unternehmens.
MIR 2006, Dok. 078
Online seit: 11.06.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/293
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Hamm, Urteil vom 22.02.2024 - 22 U 29/23, MIR 2024, Dok. 027
Rückzahlung der Vertragsstrafe - Zum Anspruch auf Rückzahlung einer gezahlten Vertragsstrafe, von Abmahnkosten und Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung eines Unterlassungsvertrages
OLG Köln, Urteil vom 09.12.2022 - 6 U 46/22, MIR 2023, Dok. 001
Riptide II - Die besonderen Umstände des Einzelfalls nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG müssen die bereits nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale überwiegen, um von einer Begrenzung des Gegenstandswerts absehen zu können
BGH, Urteil vom 01.09.2022 - I ZR 108/20, MIR 2022, Dok. 095
ASCONI - Indizien für das Vorliegen einer Hinterhaltsmarke (hier Einsatz einer unbenutzten Marke zur umfangreichen Rechtsverfolgung)
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 03.05.2021 - 6 W 31/21, MIR 2021, Dok. 084
Triumph - Keine Irreführung wegen Hinweis auf die fehlende Lizenz im Angebot für ein Retro-Blechschild
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 10.10.2022 - 6 W 61/22, MIR 2022, Dok. 084