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Kurz notiert // Zivilrecht



Bundesgerichtshof

Pay by Call-Verfahren - Der Telefonanschlussinhaber haftet nicht für die unautorisierte Nutzung seines Anschlusses durch Dritte

BGH, Urteil vom 06.04.2017 – III ZR 368/16; Vorinstanzen: AG Delmenhorst, Urteil vom 12.05.2015 – 45 C 5298/13 (VI); LG Oldenburg, Urteil vom 30.06.2016 – 1 S 315/15

MIR 2017, Dok. 017, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.04.2017 (III ZR 368/16) entschieden, dass der Inhaber eines Telefonanschlusses für die Nutzung seines Anschlusses im Rahmen eines "Pay by Call-Verfahrens" (hier: über eine 0900-Nummer) durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten (hier: der 13-jährige Sohn der Beklagten) nicht haftet. § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG finde auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines solchen Zahlungsdienstes keine Anwendung - es liege insoweit ein Zahlungs- und kein Telekommunikationsdienst vor. Zudem befasste sich das Gericht im Rahmen der Entscheidung mit der - nicht uninteressanten - (prozessualen) Frage, ob die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist (hier: Berufungsbegründungsfrist) durch Verfügung des Vorsitzenden der Unterschrift bedarf.

Zur Sache:

Die Beklagte ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses. Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des "Pay by Call-Verfahrens" über eine 0900-Premiumdienstenummer geltend. Die insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Dieser nahm an einem - zunächst kostenlosen - Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche Funktionen gegen sogenannte Credits freigeschaltet werden konnten, die entgeltlich zu erwerben waren. Die Zahlung konnte unter anderem durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreiberin angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto dann jeweils die gewünschten "Credits" zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von EUR 1.253,93 werden von der Klägerin geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat hiergegen beim Landgericht Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Eine vom Kammervorsitzenden unterschriebene Fristverlängerungsverfügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte hat das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist begründet. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat nachträglich in der Akte vermerkt, dass er die Rechtsmittelbegründungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das Landgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und diese zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Zulässige Berufung unbegründet

Der Bundesgerichtshof hat die Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Berufung sei zulässig. Die Begründung des Rechtsmittels sei rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert wurde. Es sei nicht erforderlich gewiesen, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Fristverlängerungsverfügung unterschrieben hatte. Eine solche Verfügung bedürfe keiner Unterschrift. Es genüge vielmeshr, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ergangen ist.

Keine Zurechnung der Erklärungen des Sohnes: Anscheinsvollmacht nicht gegeben, § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG nicht anwendbar und Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge dürfen nicht unterlaufen werden

In der Sache hat der Bundesgerichtshof einen Zahlungsanspruch der Klägerin verneint. Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtete konkludente Willenserklärungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben haben könnte, seien dieser nicht zuzurechnen. Weder sei das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt, noch lägen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor. Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG scheide aus. Diese Vorschrift finde auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gehen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG vor. Der Berechtigte schulde keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (vgl. insbesondere § 675u BGB). Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45i Abs. 4 Satz 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen, so das Gericht.

(tg) - Quelle: PM Nr. 52/2017 des BGH vom 06.04.2017

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 12.04.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2811
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