Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Urteil vom 23.09.2015 - I ZR 105/14
Goldbären - Zur Zeichenähnlichkeit zwischen einer Wortmarke (hier: schmackhafte Goldbären) und einer dreidimensionalen Gestaltung (hier: delikat schokoladiger Lindt-Teddy)
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3; UWG § 4 Nr. 9 und 10
Leitsätze:*1. Eine Marke ist bekannt im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.2009 - C-301/07, Slg. 2009, I-9429 - Pago/Tirolmilch; BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 108/09 - TÜV II). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.2003 - I ZR 236/97 - Davidoff II). Maßgeblich sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen alle relevanten Umstände des Falles. Dazu gehören der Marktanteil der älteren Marke, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (vgl. zu Art. 5 Abs. 2 MarkenRL EuGH, Urteil vom 14.09.1999 - C-375/97, Slg. 1999, I-5421 - Chevy; zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 108/09 - TÜV II).
2. Die Bekanntheit (einer Marke) kann zwar nicht offenkundig im Sinne von § 291 ZPO sein. Allgemein geläufig und deshalb offenkundig im Sinne von § 291 ZPO können aber Tatsachen sein, die bei de Prüfung der relevanten Umstände des Streitfalls heranzuziehen sind. Dazu rechnet auch, ob die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 108/09 - TÜV II; BGH, Urteil vom 31.10.2013 - I ZR 49/12 - OTTO Cap).
3. Für die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit ist bei eingetragenen (Klage-) Marken grundsätzlich auf die Waren oder Dienstleistungen abzustellen, für die die Marke eingetragen ist (vgl. vgl. BGH, GRUR 2004, 779, 782 - Zwilling/Zweibrüder; vgl. auch BGH, Urteil vom 19.02.1998 - I ZR 138/95 - Makalu; BGH, Urteil vom 15.01.2004 - I ZR 121/01 - d-c-fix/CD-FIX). Anders kann dies allenfalls sein, wenn die betreffende Klagemarke nur für einen Teilbereich der unter einen weiten (Gattungs-) Begriff (hier: Zuckerwaren) fallenden Waren oder Dienstleistungen benutzt wird. Dann kann die betreffende Marke im Verletzungsverfahren nur für diesen Teil (-bereich) als eingetragen gelten, mit der Folge, dass im Verletzungsverfahren nur die tatsächlich benutzten Waren- oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2006 - I ZR 110/03 - Ichthyoll II; BGH, Urteil vom 10.10.2002 - I ZR 235/00 - BIG BERTHA).
4.
a) Eine Zeichenähnlichkeit zwischen einer Wortmarke (hier: Goldbären) und einer dreidimensionalen Gestaltung (hier: in Goldfolie eingewickelte Schokoladenfigur) ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie kann sich aber weder in klanglicher noch in bildlicher Hinsicht ergeben; vielmehr kann eine Zeichenähnlichkeit nur aus einer Ähnlichkeit im Bedeutungsgehalt folgen.
b) Bei der Beurteilung der Frage der Zeichenähnlichkeit zwischen einer Wortmarke und einer dreidimensionalen Gestaltung darf nicht über die Ähnlichkeit im Sinngehalt ein Motivschutz begründet werden oder eine uferlose Ausweitung des Schutzbereichs der Wortmarke mit der Folge einer umfassenden Monopolisierung von Warengestaltungen vorgenommen werden.
c) Die begriffliche Ähnlichkeit zwischen einer Wortmarke und einer dreidimensionalen Gestaltung ist anzunehmen, wenn die Wortmarke aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Bezeichnung der dreidimensionalen Gestaltung ist. Hierzu ist erforderlich, dass sich die Benennung der beanstandeten Gestaltung mit dem Markenwort für den Verkehr aufdrängt, ohne dass hierfür mehrere gedankliche Zwischenschritte notwendig sind und ohne dass es andere Bezeichnungen für die dreidimensionale Gestaltung gibt, die gleich naheliegend sind.
d) Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit einer für Fruchtgummiprodukte eingetragenen Wortmarke (hier: Goldbären) ist in die Prüfung der Zeichenähnlichkeit bei einer Kollision mit einer dreidimensionalen Gestaltung (hier: in Goldfolie eingewickelte Schokoladenfigur) nicht die Produktform einzubeziehen, für die der Markeninhaber die Wortmarke nutzt (hier: konkrete Gestaltung der Gummibärchen).
e) Hat das Berufungsgericht über einen Anspruch aus einer Marke entschieden, auf die der Kläger sich im Rechtsstreit zur Begründung seines Anspruchs nicht gestützt hat, sondern die er nur neben anderen Marken zur Darstellung seines Markenbestands angeführt hat, stellt dies einen Verstoß gegen § 308 ZPO dar, der im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 21.10.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2746
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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