Kurz notiert // Zivilrecht
Bundesgerichtshof
Kohl-Memoiren - Altkanzler Helmut Kohl kann die Herausgabe der Tonbänder verlangen
BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14; Vorinstanz: LG Köln, Urteil vom 12.12.2013 – 14 O 612/12; OLG Köln, Urteil vom 01.08.2014 – 6 U 20/14
MIR 2015, Dok. 058, Rz. 1
1
Der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl kann von dem Journalisten Dr. Heribert Schwan die Herausgabe der Tonbänder verlangen, die dieser während der Arbeit mit Kohl an dessen Memoiren aufgenommen hat.
Zur Sache:
Helmut Kohl und Heribert Schwan schlossen 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge. Gegenstand dieser Verträge war die Erstellung der Memoiren von Helmut Kohl. Die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch Heribert Schwan erfolgen. Die Parteien, die die Einzelheit ihrer Zusammenarbeit unmittelbar miteinander besprechen sollten, trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus Kohls zu Gesprächen, die insgesamt etwa 630 Stunden dauerten und mit einem von Herrn Schwan zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen wurden. Helmut Kohl sprach dabei auf Fragen und Stichworte Schwans ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl über die Zeit, in der er höchste politische Ämter innehatte, als auch über seinen vorherigen Werdegang. Die Tonbänder, die Helmut Kohl persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm Herr Schwan zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Später überwarfen sich die Parteien und Kohl kündigte die Zusammenarbeit. Schwan wurde von dem Verlag finanziell abgefunden. Helmut Kohl verlangt die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen, auf denen seine Stimme zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von Heribert Schwan aufgenommen wurden. Seine Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kohl nicht Eigentümer der Tonbänder
Der Bundesgerichtshof (V. Zivilsenat) hat die Revision von Heribert Schwan zurückgewiesen.
Kohl sei zwar nicht - wie das Oberlandesgericht Köln meint - durch "Verarbeitung" (§ 950 Abs. 1 Satz 1 BGB) Eigentümer der Tonbänder geworden. Ein Tonband werde allein durch das Aufnehmen von Tondokumenten nicht zu einer neuen Sache; dass die Tondokumente historisch wertvoll und einmalig sind, ändere daran nichts.
Herausgabe aufgrund des Auftragsverhältnisses
Die Tonbänder seien aber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Auftragsverhältnisses herauszugeben. Die Parteien hätten in Ausführung der Verlagsverträge miteinander konkludent eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über das von Helmut Kohl zur Verfügung zu stellende Material getroffen. Diese Vereinbarung stelle rechtlich ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis dar, wobei Kohl als Auftraggeber anzusehen sei. Denn allein dieser habe nach den Verlagsverträgen über den Inhalt der Memoiren zu entscheiden. Nachdem Kohl die Zusammenarbeit beendet und damit den Auftrag widerrufen hat, sei Heribert Schwan nach § 667 BGB verpflichtet, ihm alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Hiervon erfasst seien nicht nur zur Verfügung gestellte Dokumente, sondern auch die Herrn Schwan mitgeteilten und von ihm aufgezeichneten persönlichen Erinnerungen und Gedanken Kohls. Auf das Eigentum an den Tonbändern, auf denen die Lebenserinnerungen Kohls aufgezeichnet sind, komme es nicht an. Wer fremde Geschäfte besorgt und damit auf die Interessen eines anderen zu achten hat, solle aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber gebühren. Setzt der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Tonband, ein, müsse er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden kann.
(tg) - Quelle: PM Nr. 118/2015 des BGH vom 10.07.2015
Zur Sache:
Helmut Kohl und Heribert Schwan schlossen 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge. Gegenstand dieser Verträge war die Erstellung der Memoiren von Helmut Kohl. Die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch Heribert Schwan erfolgen. Die Parteien, die die Einzelheit ihrer Zusammenarbeit unmittelbar miteinander besprechen sollten, trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus Kohls zu Gesprächen, die insgesamt etwa 630 Stunden dauerten und mit einem von Herrn Schwan zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen wurden. Helmut Kohl sprach dabei auf Fragen und Stichworte Schwans ausführlich über sein gesamtes Leben, sowohl über die Zeit, in der er höchste politische Ämter innehatte, als auch über seinen vorherigen Werdegang. Die Tonbänder, die Helmut Kohl persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm Herr Schwan zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Später überwarfen sich die Parteien und Kohl kündigte die Zusammenarbeit. Schwan wurde von dem Verlag finanziell abgefunden. Helmut Kohl verlangt die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen, auf denen seine Stimme zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von Heribert Schwan aufgenommen wurden. Seine Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kohl nicht Eigentümer der Tonbänder
Der Bundesgerichtshof (V. Zivilsenat) hat die Revision von Heribert Schwan zurückgewiesen.
Kohl sei zwar nicht - wie das Oberlandesgericht Köln meint - durch "Verarbeitung" (§ 950 Abs. 1 Satz 1 BGB) Eigentümer der Tonbänder geworden. Ein Tonband werde allein durch das Aufnehmen von Tondokumenten nicht zu einer neuen Sache; dass die Tondokumente historisch wertvoll und einmalig sind, ändere daran nichts.
Herausgabe aufgrund des Auftragsverhältnisses
Die Tonbänder seien aber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Auftragsverhältnisses herauszugeben. Die Parteien hätten in Ausführung der Verlagsverträge miteinander konkludent eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über das von Helmut Kohl zur Verfügung zu stellende Material getroffen. Diese Vereinbarung stelle rechtlich ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis dar, wobei Kohl als Auftraggeber anzusehen sei. Denn allein dieser habe nach den Verlagsverträgen über den Inhalt der Memoiren zu entscheiden. Nachdem Kohl die Zusammenarbeit beendet und damit den Auftrag widerrufen hat, sei Heribert Schwan nach § 667 BGB verpflichtet, ihm alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Hiervon erfasst seien nicht nur zur Verfügung gestellte Dokumente, sondern auch die Herrn Schwan mitgeteilten und von ihm aufgezeichneten persönlichen Erinnerungen und Gedanken Kohls. Auf das Eigentum an den Tonbändern, auf denen die Lebenserinnerungen Kohls aufgezeichnet sind, komme es nicht an. Wer fremde Geschäfte besorgt und damit auf die Interessen eines anderen zu achten hat, solle aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber gebühren. Setzt der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Tonband, ein, müsse er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden kann.
(tg) - Quelle: PM Nr. 118/2015 des BGH vom 10.07.2015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.07.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2725
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