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Rechtsprechung // Urheberrecht



BGH, Urteil vom 15.01.2015 - I ZR 148/13

Motorradteile - Mit dem Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB kann die Herausgabe des durch eine Urheberrechtsverletzung erlangten Gebrauchsvorteils nach der Lizenzanalogie verlangt werden.

BGB §§ 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 3, 214 Abs. 1, 852; UrhG §§ 13 Satz 1, 19a, 97, 102 Satz 2

Leitsätze:*

1.

a) Eine rechtsverletzende Dauerhandlung (hier das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen von Fotografien im Internet) ist zur Bestimmung des Beginns der Verjährung gedanklich in Einzelhandlungen (also in Tage) aufzuspalten, für die jeweils eine gesonderte Verjährungsfrist läuft.

b) Mit dem Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB kann die Herausgabe des durch die Verletzung eines Urheberrechts erlangten Gebrauchsvorteils im Wege der Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr verlangt werden.

c) Wegen einer Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 Satz 1 UrhG) kann nach § 97 Abs. 2 UrhG sowohl der Ersatz materiellen Schadens als auch der Ersatz immateriellen Schadens beansprucht werden. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Urheber nach § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dies setzt voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Nur wegen des Schadens, der Vermögensschaden ist, kann der Urheber seinen Schadensersatzanspruch nach § 97 UrhG auch auf der Grundlage des Betrages berechnen, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dabei kann die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr, die zum Ausgleich eines durch die fehlende Urheberbenennung verursachten Schadens geschuldet ist, in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen werden, die für die jeweilige Nutzung (hier das öffentliche Zugänglichmachen von Fotografien) zu zahlen ist.

2. Gemäß § 102 Satz 2 UrhG findet § 852 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat. Danach ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der (regelmäßigen) Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung des Urheberrechts entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 Satz 1 BGB). Die Verweisung in § 852 BGB auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich dabei nicht auf die Voraussetzungen, sondern auf den Umfang der Bereicherungshaftung. Bei § 852 BGB handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen sogenannten Restschadensersatzanspruch, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der in Höhe der Bereicherung nicht verjährt ist (vgl. zu § 852 Abs. 3 BGB aF BGHZ 71, 86, 98 f. - Fahrradgepäckträger II; BGH, Urteil vom 14.01.1999 - I ZR 203/96 - Güllepumpen). Auf die Regelung des § 852 BGB wird nicht nur in § 102 Satz 2 UrhG, sondern auch in § 141 Satz 2 PatG, § 24f Satz 2 GebrMG, § 49 Satz 2 DesignG, § 20 Satz 2 MarkenG, § 9 Abs. 3 Satz 2 HalblSchG und § 37f Satz 2 SortSchG verwiesen; sie gilt darüber hinaus im Wettbewerbsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1999 - I ZR 203/96 - Güllepumpen). Demnach gilt im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht allgemein der Grundsatz, dass das durch eine Schutzrechtsverletzung oder einen Wettbewerbsverstoß Erlangte auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs aus unerlaubter Handlung als ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist (vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 270). Der auf die Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen von Fotografien und des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft an den Fotografien gestützte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG (wegen eines insoweit materiellen Schadens des Verletzten) verjährt nicht nach §§ 102 Satz 1, 195 BGB, weil er im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB auf die Herausgabe einer durch die Verletzung dieses Rechts erlangten ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2011 - I ZR 175/10 - Bochumer Weihnachtsmarkt; vgl. auch OLG München, OLGR 1994, 33).

3. Durch das (unbefugte) Einstellen von Fotografien auf eine Internetseite wird in den Zuweisungsgehalt des dem Urheber bzw. Lichtbildner zustehenden Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen dieser Fotografien und auf Anerkennung der Urheberschaft an den Fotografien eingegriffen und der Verletzer verschafft sich damit auf Kosten des Rechteinhabers den Gebrauch dieses Rechts ohne rechtlichen Grund. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen Lizenzgebühr (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 68/08 - Restwertbörse I, mwN; BGH, Urteil vom 27.10.2011 - I ZR 175/10 - Bochumer Weihnachtsmarkt). Wer durch die Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts etwas erlangt hat, kann sich im Regelfall auch nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, da das Erlangte - also der Gebrauch des Schutzgegenstands - nicht mehr entfallen kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.Juli 1971 - I ZR 58/70, BGH Urteil vom 02.07.1971 - I ZR 58/70 - Gasparone II; BGH, Urteil vom 27.10.2011 - I ZR 175/10 - Bochumer Weihnachtsmarkt).

4. Der Anspruch aus § 852 BGB setzt nicht voraus, dass der Verletzer einen Gewinn erzielt hat. Es genügt, dass er einen Vermögensvorteil in Gestalt eines Gebrauchsvorteils erlangt hat.

5. Die Zustellung des Mahnbescheids hemmt die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur, wenn dieser Anspruch im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Es reicht insoweit aus, dass der Anspruchs für den Antragsgegner erkennbar ist. So kann im Mahnbescheid zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auf Unterlagen Bezug genommen werden, die dem Mahnbescheid nicht in Abschrift beigefügt sind, wenn sie dem Antragsgegner bekannt sind (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2010 - VIII ZR 229/09).

MIR 2015, Dok. 052


Anm. der Redaktion: Leitsätze 1 a) - c) sind die amtlichen Leitsätze des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 23.06.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2719

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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