Rechtsprechung // Handelsrecht
BGH, Urteil vom 30.04.2014 - I ZR 245/12
Abwerbeverbot - Vereinbarungen zwischen Unternehmern, sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben, stellen grundsätzlich gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabreden im Sinne von § 75f HGB dar.
HGB § 75f; BGB § 339
Leitsätze:*1.
a) Grundsätzlich stellen nicht nur Einstellungsverbote, sondern auch Vereinbarungen zwischen Unternehmern, sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben, gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabreden im Sinne von § 75f HGB dar.
b) Derartige Abwerbeverbote fallen allerdings nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB, wenn sie nur Nebenbestimmungen der Vereinbarung sind und einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Seiten Rechnung tragen.
c) Ein zwischen zwei Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Vertrieb vereinbartes Abwerbeverbot darf grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung der Zusammenarbeit nicht überschreiten.
2. Abwerben von Arbeitnehmern ist das Einwirken auf einen arbeitsvertraglich gebundenen Arbeitnehmer mit dem Ziel, diesen zum Arbeitsplatzwechsel zu bewegen. Von einer Abwerbung von Arbeitnehmern kann daher nur gesprochen werden, wenn der abgeworbene Arbeitnehmer sein bisheriges Arbeitsverhältnis beendet und von einem anderen Arbeitgeber eingestellt wird. Unter § 75f HGB fällt danach eine Klausel, nach der sich Unternehmen wechselseitig verpflichten, nur Arbeitnehmer einzustellen, die sich von sich aus an den potentiellen Arbeitgeber gewandt haben.
3. § 75f HGB ist verfassungskonform (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) einschränkend auszulegen, wenn aufgrund einer besonderen Fallkonstellation ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeber an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Der Unternehmer hat das Recht, in seinem Markterfolg nicht unverhältnismäßig eingeschränkt oder behindert zu werden (vgl. BVerfG 97, 228, 253; BVerfG NJW 2004, 1710, 1711). In bestimmten Fällen sind Abwerbeverbote von dem Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen und als einklagbar zu behandeln. Dies gilt zunächst für Fälle, in denen das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere Geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann. Außerdem Fallen Vereinbarungen nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern nur eine Nebenbestimmung darstellt (siehe LS 1 b).
4. Ein über zwei Jahre hinausgehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot für einen aus einer Sozietät von Angehörigen freier Berufe ausgeschiedenen Gesellschafter verstößt in zeitlicher Hinsicht gegen § 138 BGB, weil sich nach einem Zeitraum von zwei Jahren die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft geknüpften Mandantenverbindungen typischerweise so gelöst haben, dass der ausgeschiedene Gesellschafter wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden kann (BGH, Urteil vom 08.05.2000 - II ZR 308/98; BGH, Urteil vom 29.09.2003 - II ZR 59/02; BGH, Urteil vom 18.07.2005 - II ZR 159/03). Die Frist von zwei Jahren ist auch für Wettbewerbsverbote in Form von Mandantenschutzklauseln als zeitliche Grenze anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1996 - II ZR 286/94).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 23.09.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2633
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