Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12
Morpheus - Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.
BGB § 832 Abs. 1; UrhG § 97
Leitsätze:*1. Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist (BGH, Urteil vom 24.03.2009 - VI ZR 51/08; BGH, Urteil vom 24.03.2009 - VI ZR 199/08; BGH, Urteil vom 20.03.2012 - VI ZR 3/11). Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss.
2. Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.
3. Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08, MIR 2010, Dok. 083 - Sommer unseres Lebens). Diese Vermutung ist jedoch dann entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat. Indizien, die hierbei wiederum für die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers sprechen können, reichen indes nicht aus um eine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit zu begründen.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 11.04.2013
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2456
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.11.2021 - 6 W 90/21, MIR 2021, Dok. 095
Der Gesamtpreis schließt nicht den Pfandbetrag ein - Wird für Waren in Pfandbehältern geworben, ist der Pfandbetrag gesondert auszuweisen
Bundesgerichtshof, MIR 2023, Dok. 072
mk advokaten GbR - Zur "Benutzung" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG und zur Zurechnung von selbständigen Handlungen Dritter, die auf einen Verletzungstatbestand folgen
EuGH, Urteil vom 02.07.2020 - C-684/19, MIR 2020, Dok. 058
Neun Zehntel - Zur Bemessung des Gegenstandswerts im Markenlöschungsstreit, wenn nur der weit überwiegende Teil der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist
BGH, Beschluss vom 11.04.2023 - I ZB 55/22, MIR 2023, Dok. 033
EUR 2.500,00 pro AGB-Klausel - Im Verbandsprozess erfolgt grundsätzlich keine vom Regelbeschwerdewert abweichende Bemessung der Beschwer für die Revisionszulassung
BGH, Urteil vom 13.10.2020 - VIII ZR 25/19, MIR 2020, Dok. 082