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Rechtsprechung



OLG Köln, Beschluss vom 20.05.2011 - 6 W 30/11

Anforderungen an urheberrechtliche Abmahnungen gegenüber Privatpersonen - Ein nicht geschäftlich tätiger Unterlassungsschuldner gibt keine Veranlassung zur Klage im Sinne von § 93 ZPO, wenn er auf eine Abmahnung, die zu einer zu weit gefassten Unterlassungserklärung auffordert und zugleich vor Einschränkungen derselben warnt, nicht reagiert.

ZPO §§ 91a, 93; UrhG § 101 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 9

Leitsätze:*

1. Verlangt der Gläubiger eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch mit einer Abmahnung gegenüber einem nicht geschäftlich tätigen Schuldner, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die weit über den ihm zustehenden Unterlassungsanspruch hinausgeht (der nur hinsichtlich des Werkes besteht, auf das sich die vorgeworfene Rechtsverletzung bezieht und nicht auf sämtliche Werke des Rechteinhabers) und weist der Gläubiger in der Abmahnung zudem darauf hin, dass Einschränkungen oder die Modifikation der vorformulierten Erklärung zur "Unwirksamkeit der Unterlassungserklärung" und Kostennachteilen führen könnten, wird dem (privaten) Unterlassungsschuldner mit einer solchen Abmahnung nicht ein Weg zu Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung gewiesen. Reagiert ein nicht geschäftlich tätiger Unterlassungsschuldner auf eine solche Abmahnung nicht und gibt keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, gibt er keine Veranlassung zur Klage im Sinne von § 93 ZPO.

2. Es obliegt dem Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs zur Vermeidung des Prozessrisikos aus § 93 ZPO, den Störer vor Erhebung einer Unterlassungsklage abzumahnen. Der Störer soll hierdurch Gelegenheit erhalten, im eigenen Interesse einen aussichtslosen Unterlassungsrechtsstreit und die damit verbundenen Kosten zu vermeiden. Diese grundsätzliche Abmahnlast und die in einer Abmahnung zum Ausdruck kommende Rücksichtnahme auf die Interessen des Störers machen es nach Treu und Glauben erforderlich, den Störer im Gegenzuge als verpflichtet anzusehen, auf eine Abmahnung fristgemäß durch Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung oder deren Ablehnung zu antworten. Diese Pflicht erwächst aus der durch die Rechtsverletzung entstandenen Sonderbeziehung. Verletzt der Störer schuldhaft seine Pflicht, auf die Abmahnung fristgemäß zu antworten, steht dem Gläubiger ein Schadenersatzanspruch zu, der insbesondere die durch das in Rede stehende Verhalten des abgemahnten Störers verursachten Rechtsverfolgungskosten umfasst (BGH, Urteil vom 19.10.1989 - I ZR 63/88 - Antwortpflicht des Abgemahnten). Diese Grundsätze gelten auch im Urheberrecht.

3. Dem Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs trifft (grundsätzlich) keine Obliegenheit, der Abmahnung den Entwurf einer Unterlassungserklärung beizufügen. Es ist grundsätzlich auch unschädlich, wenn der Gläubiger mit der einer Abmahnung beigefügten vorgeschlagenen Unterlassungserklärung mehr verlangt, als ihm zusteht; es ist regelmäßig Sache des Schuldners, die Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer Unterwerfungserklärung in dem erforderlichen Umfang auszuräumen. Gibt der Schuldner auf eine Abmahnung hin nicht eine (strafbewehrte) Unterlassungserklärung ab, gibt er grundsätzlich Anlass zu seiner gerichtlichen Inanspruchnahme.

4. Eine Abmahnung darf sich nicht darauf beschränken, eine Rechtsverletzung aufzuzeigen. Die Abmahnung soll dem Schuldner einen Weg weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2009 - I ZR 139/07, MIR 2009, Dok. 064 - pcb; BGH, Urteil vom 21.01.2010 - I ZR 47/09, MIR 2010, Dok. 027 - Kräutertee). Bei einer Abmahnung im geschäftlichen Verkehr ist es insoweit ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung enthält. Bei einer Abmahnung gegenüber nicht geschäftlich tätigen Schuldner ist von einem gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger zu verlangen, dass er dem Schuldner keine Hinweise erteilt, die den Schuldner von der Anerkennung des Anspruchs (durch Abgabe der Unterlassungserklärung) abhalten können.

5. Wird einem Unterlassungsschuldner im Urheberrecht eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorgeworfen, steht dies nicht der Annahme entgegen, dass der Schuldner nicht geschäftlich tätig ist. Das Tatbestandsmerkmal "gewerbliches Ausmaß" (§ 101 Abs. 1, Abs. 2 UrhG) bezieht sich auf die Schwere der Rechtsverletzung und damit auf den Umfang der Beeinträchtigung der Interessen des Rechteinhabers (OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - 6 Wx 2/08, MIR 2008, Dok. 323). Eine solche Rechtsverletzung kann durch eine privat handelnde Person erfolgen, die wie (aber nicht als) ein gewerbliche Anbieter auftritt, indem sie der Öffentlichkeit ein fremdes Werk anbietet (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 09.02.2009 - 6 W 182/08, MIR 2009, Dok. 061).

MIR 2011, Dok. 055


Anm. der Redaktion: Die Entscheidung wurde mitgeteilt von den Mitgliedern des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 05.06.2011
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2333

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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