Rechtsprechung
LG Wuppertal, Beschluss vom 19.10.2010 - 25 Qs-10 Js 1977/08-177/10
Surfen über fremde unverschlüsselte WLAN-Netzwerke nicht strafbar - Das Einwählen in ein fremdes, unverschlüsselt betriebenes WLAN-Netzwerk, um einen hierüber verfügbaren Internetzugang nutzen zu können, ist nicht strafbar.
TKG §§ 89, 148; BDSG § 3 Abs. 1, §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 44; StGB §§ 202a, 202b, 263a, 265a
Leitsätze:*1. Die Nutzung eines fremden, offenen WLAN-Netzwerkes ist nicht nach §§ 89 Satz 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG strafbar.
2. Das Abhörverbot nach § 89 TKG dient dem Schutz vertraulicher Kommunikation. Dieser Schutzzweck ist bei der Zuteilung und dem Empfang einer IP-Adresse nicht tangiert.
Die Nutzung eines fremden (WLAN-) Netzwerkes zum Zwecke der eigenen Kommunikation greift die
Vertraulichkeit fremder Kommunikation genauso wenig an, wie die ungefragte Nutzung eines fremden Telefons für ein eigenes Gespräch. Bei der, dem Computer (Clienten) bei Nutzung eines fremden, unverschlüsselten WLAN-Netzwerkes zugeteilten (internen) IP-Adresse, handelt es sich nicht um eine Nachricht, die nicht für Dritte, die Allgemeinheit oder einen unbestimmten Personenkreis bestimmt ist. Vielmehr äußert der Betreiber eines offenen WLAN-Netzwerkes unter Verzicht auf die Verschlüsselung bei technischer Betrachtung den Willen, dass jedes Gerät in Reichweite sich mit dem betreffenden Router verbinden darf. Der Betreiber eines offenen Netzwerkes muss sich die von dem Gerät getroffene Bestimmung zurechnen lassen. Der Router, über den ein unverschlüsseltes WLAN-Netzwerk betrieben wird, teilt die interne IP-Adresse dem sich an diesem Netzwerk anmeldenden Computer entsprechend der ihm im Rahmen der (DHCP-) Konfiguration aufgetragenen Vorgehensweise zu (d.h. hier die Zuteilung und Zugangsmöglichkeit ohne weitere Prüfung).
3. Das Einwählen in ein unverschlüsselt betriebenes, fremdes WLAN-Netzwerk mit dem Zweck der
Mitbenutzung des über diese Netzwerk verfügbaren Internetzugangs erfüllt nicht den Tatbestand des unbefugten Abrufens oder Verschaffens personenbezogener Daten nach §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 44 BDSG, da hierbei keine personenbezogenen Daten abgerufen werden.
Die von dem jeweiligen WLAN-Router übermittelte interne IP-Adresse ist schon deshalb nicht
personenbezogen, da sich mittels dieser keine natürliche Person bestimmen lässt.
Ebenso stellt die externe, dem Netzwerk für den Internetzugang vom Internetprovider zugewiesene IP-Adresse für den "fremden" Nutzer eines unverschlüsselt betriebenen WLAN-Netzwerkes regelmäßig kein personenbezogenes Datum dar, wenn die hinter dieser IP-Adresse stehende natürliche, den Internetanschluss betreibende, Person für diesen (als abrufende Stelle) nicht mit diesem zur Verfügung stehenden Mitteln identifiziert werden kann.
4. Bei der externen, d.h. der einem Netzwerk von dem Internetprovider für den Internetzugang
zugewiesenen, IP-Adresse eines unverschlüsselt betriebenen WLAN-Netzwerkes handelt es sich
nicht um ein "nicht allgemein zugängliches" Datum im Sinne von § 43 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Vielmehr kann diese IP-Adresse von jedem empfangsbereiten Gerät im Sendebereich des Netzwerkes abgerufen werden.
5. Eine Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten nach § 202a StGB durch das bloße Einwählen in ein unverschlüsselt betriebenes WLAN-Netzwerk kommt nicht in Betracht, da die insoweit zugänglichen Daten jedenfalls nicht gegen einen unberechtigten Zugang gesondert gesichert sind.
6. Das Einwählen in ein fremdes, unverschlüsselt betriebenes Netzwerk stellt schon deshalb
keine Abfangen von Daten im Sinne von § 202b StGB dar, weil es bereits an dem Merkmal einer
nichtöffentlichen Datenübermittlung fehlt. § 202b StGB schützt ebenso wie das in § 89 TKG
normierte Abhörverbot die Vertraulichkeit von Datenübermittlungen, d.h. es sind solche
Datenübermittlungen von vorneherein ausgenommen, die für einen unbestimmten Personenkreis
wahrnehmbar sein sollen. Bei dem Betrieb eines unverschlüsselten WLAN-Netzwerkes sind die
IP-Daten bei objektivem Verständnis aber an einen zahlenmäßig nicht begrenzten Personenkreis
gerichtet und für Dritte, die einen Kommunikationsvorgang mit dem Netzwerk initiieren, bestimmt. Eine Datenübermittlung, die objektiv erkennbar für einen beschränkten Nutzerkreis bestimmt ist, liegt nicht vor.
7. Die Nutzung eines fremden, unverschlüsselt betriebenen Funknetzwerkes stellt kein Erschleichen von Leistungen nach § 265a StGB dar. Es fehlt insofern bereits an der Tatbestandsvoraussetzung der Entgeltlichkeit, wenn die Nutzung des betreffenden Funknetzwerkes generell nicht gegen Entrichtung eines Entgeltes angeboten wird. Zudem liegt ein Erschleichen nicht vor, wenn die Inanspruchnahme nicht unter Umgehung der von dem Berechtigten gegen unerlaubte Benutzung geschaffene Sicherheitsvorkehrungen erfolgt. Ähnlich wie das unbefugte aber ordnungsgemäß vorgenommene Telefonieren von fremden Apparaten ist auch das ordnungsgemäße Nutzen eines offenen und damit technisch jedermann zur Verfügung gestellten WLAN-Netzwerkes nicht nach § 265a StGB strafbar.
8. Das Einwählen in ein unverschlüsselt betriebenes fremdes WLAN-Netzwerk, in der Absicht,
einen fremden Internetanschluss zu nutzen, ist nicht wegen Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1, Abs. 2, § 263 Abs. 2 StGB strafbar. Insoweit fehlt es an einer täuschungsgleichen Handlung, da dem Clienten bei einem unverschlüsselt betriebenen WLAN durch den Router automatisch eine interne IP-Adresse zugewiesen wird; eine wie auch immer geartete Prüfung einer Zugangsberechtigung wird nicht vorgenommen.
Ein besonderer Dank für die Einsendung der Entscheidung gilt Herrn Rechtsreferendar Jens Ferner, Alsdorf.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 07.11.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2256
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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