Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 03.08.2010 - VI ZR 113/09
Dieselbe Angelegenheit - Zur Frage, ob die außergerichtliche Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG betrifft.
RVG § 15 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 287
Leitsätze:*1. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen gebührenrechtlich in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2007 - VI ZR 277/06).
Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Anwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, also dem konkreten Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann insoweit mehrere Gegenstände umfassen.
2. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich erforderlich, dass die verschiedenen Gegenstände so einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen verschiedenen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit setzt voraus, dass die Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Auftrags mit der anwaltlichen Tätigkeit erstrebten Erfolgs innerlich zusammengehören (dazu: BGH, Urteil vom 26.05.2009 - Az. VI ZR 174/08, MIR 2009, Dok. 150, BGH, Urteil vom 27.07.2010 - Az. VI ZR 261/09).
3. Gegendarstellungs- und Berichtigungsbegehren sind gegenüber einem Unterlassungsbegehren wesensverschieden. Die im Rahmen der Geltendmachung solcher Ansprüche erbrachten anwaltlichen Dienstleistungen unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung maßgeblich und betreffen insoweit gebührenrechtlich andere Angelegenheiten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Ansprüche verfahrensrechtliche Besonderheiten, sowohl zeitlich als auch inhaltlich, aufweisen, denen der Anwalt schon außergerichtlich Rechnung zu tragen hat und die ein unterschiedliches Vorgehen verlangen. Auch die gerichtliche Geltendmachung der verschiedenen Ansprüche kann sinnvoll nicht einheitlich erfolgen
(wird ausgeführt).
4. Zur Frage, ob die außergerichtliche Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs-
und Richtigstellungsansprüchen dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG
betrifft.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 29.08.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2224
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 07.04.2021 - VIII ZR 191/19, MIR 2021, Dok. 045
Testsiegel auf Produktabbildung - Unabhängig deren Intensität muss in einer Werbung mit einem Testsiegel eine Fundstelle des Tests deutlich erkennbar angegeben werden
BGH, Urteil vom 15.04.2021 - I ZR 134/20, MIR 2021, Dok. 042
Minigolf-Anlage - Zur Zulässigkeit der Vernichtung einer Kunstinstallation durch den Gebäudeinhaber
Bundesgerichtshof, MIR 2019, Dok. 006
Möbel Kraft - Die Ausnahme vom Verbraucher-Widerrufsrecht bei Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt sind gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht
EuGH, Urteil vom 21.10.2020 - C-529/19, MIR 2020, Dok. 077
Servicepauschale - Ein (unzulässiges) zusätzliches Zahlungsmittelentgelt wird verlangt, wenn der angezeigte Preis nur für die Zahlung mit nicht gängigen Kreditkarten erhältlich ist und bei Auswahl anderer Zahlungsmittel eine sog. Servicepauschale anfällt
BGH, Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 205/20, MIR 2022, Dok. 064