Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 11.03.2010 - I ZR 123/08
Espressomaschine - Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für nicht aktuelle Informationen auf einem Preisvergleichsportal.
UWG § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2, § 8
Leitsätze:*1. Der durchschnittlich informierte Nutzer eines Preisvergleichsportals im Internet verbindet mit den ihm dort präsentierten Informationsangeboten vorbehaltlich klarer gegenteiliger Hinweise regelmäßig die Erwartung einer höchstmöglichen Aktualität. Er geht deshalb grundsätzlich davon aus, dass er das dort beworbene Produkt zu dem angegebenen Preis erwerben kann, und wird irregeführt, wenn der tatsächlich verlangte Preis nach einer Preiserhöhung auch nur für einige Stunden über dem im Preisvergleichsportal angegebenen Preis liegt.
2. Ein Hinweis "Alle Angaben ohne Gewähr" in der Fußzeile einer Preisvergleichsliste eines
Preisvergleichsportals (hier: idealo.de) bezieht sich mit der Lebenserfahrung und aus Sicht des Verkehrs auf die Frage, ob der Betreiber für Übermittlungs- oder Übertragungsfehler haften soll. Ein solcher Hinweis ist für die Nutzer bei der Suche nach dem günstigsten Anbieter eines Produkts ohne oder allenfalls von geringen Belang und damit nicht geeignet, eine Irreführung durch unterschiedliche Preisangaben in der Preisvergleichsliste einerseits
und auf den Seiten der werbenden Händler andererseits auszuräumen. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Hinweis mit einem Verweis (Link) zu weiteren Erläuterungen unterlegt ist und auch als solcher von Nutzern erkannt wird, denn Kaufinteressenten rufen erfahrungsgemäß nur diejenigen Internetseiten auf, die sie zur Information über die von ihnen ins Auge gefasste Ware benötigen (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 04.10.2007 - Az. I ZR 143/04, MIR 2007, Dok. 412 - Versandkosten). Ein über einen solchen Verweis erreichbarer Hinweistext kann die notwendige Klarstellung jedenfalls nicht bewirken, wenn er seinem Inhalt nach eher von der Problematik der (fehlenden) Aktualität der der Preisvergleichsliste zugrunde liegenden Preisangaben ablenkt (wird ausgeführt). Die Erläuterung einer, in der Spalte "Preis (inkl. MwSt.)" enthaltenen Angabe von Datum und Uhrzeit mit "Aktualisierung der Preisabfrage" (hier: in der Fußzeile der Preisvergleichsliste) deutet auf den Zeitpunkt der Einstellung des betreffenden Angebots oder auf den Zeitpunkt seiner letztmaligen Überprüfung hin.
Eine solche Angabe lässt jedoch nicht erkennen, dass ein nachfolgend aufgetretener Aktualisierungsbedarf bei dem gemachten Angebot (Preis) noch unberücksichtigt geblieben ist.
3. Von der aufgrund nicht aktueller Preisangaben zu Unrecht erfolgten Platzierung eines Angebots in einer Preisvergleichsliste auf dem ersten Rang geht eine erhebliche irreführende Werbewirkung aus. Eine solche irreführende Werbung ist auch von wettbewerbsrechtlicher Relevanz.
4. Stimmt ein Anbieter die Angaben in einer Preissuchmaschine nicht mit den Angaben auf seiner eigenen Internetseite ab und setzt er damit selbst die Ursache für die Divergenz, die Anlass einer sich daraus ergebenden Irreführung ist, haftet der Anbieter wegen einer solchen irreführenden Werbung auf einer Preisvergleichsseite für eigenes Handeln und ist wettbewerbsrechtlich verantwortlich.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 25.08.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2222
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 27.01.2022 - I ZR 7/21, MIR 2022, Dok. 026
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) – Kein Anspruch auf Verwendung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Bundesgerichtshof, MIR 2021, Dok. 025
Risiko ungeklärter Sachlage nach Abmahnung - Kostentragungspflicht und Veranlassung für ein gerichtliches Verfahren grundsätzlich auch bei außergerichtlicher Korrespondenz
OLG Koblenz, Beschluss vom 23.10.2017 - 9 U 895/17, MIR 2017, Dok. 042
"Die Auserwählten" - Die als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler ist kein Bildnis der dargestellten Person
BGH, Urteil vom 18.05.2021 - VI ZR 441/19, MIR 2021, Dok. 055
Stoffmaske als Medizinprodukt? - Großhändler muss beim Vertrieb einer bedruckten "Alltagsmaske" in Form einer "textilen Mund-Nasen-Bedeckung" nicht klarstellen, dass es sich nicht um ein Medizinprodukt handelt
Oberlandesgericht Hamm, MIR 2020, Dok. 097