Rechtsprechung
BGH, Beschluss vom 31.03.2010 - I ZB 62/09
Marlene-Dietrich-Bildnis II - Zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit von Porträtfotos oder anderen naturgetreuen Abbildungen bekannter Personen.
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:*1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL) bedeutet, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkt von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (st. Rspr., vgl. EuGH, Urteil vom 08.05.2008 - C-304/06 P, Slg. 2008, I-3297 - Eurohypo; EuGH, Urteil vom 21.01.2010 - C-398/08 P - Audi (Vorsprung durch Technik), MIR 2010, Dok. 020; BGH, Beschluss vom 22.01.2009 - Az. I ZB 52/08 - DeutschlandCard). Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2006 - Az. I ZB 96/05, MIR 2006, Dok. 138 - FUSSBALL WM 2006; BGH, Beschluss vom 22.1.2009 - Az. I ZB 34/08 – My World).
2. Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden, ohne dass sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind, kann nicht schon wegen einer solchen Verwendung die Eintragung als Marke versagt werden.
3. Bei Zeichen oder Angaben, denen ein für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibender Charakter zukommt, ist das Eintragungshindernis nach Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (Art. 7 Abs. 1 lit. c GMV; § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) schon dann anzunehmen, wenn das betreffende Zeichen oder die betreffende Angabe zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (mit Verweis auf: EuGH, Urteil vom 12.02.2004 - Az. C-363/99, Slg. 2004, I-1619 - Koninklijke KPN/Benelux-Merkenbureau (Postkantoor)). Dies gilt grundsätzlich auch bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL; Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV). Einem Zeichen fehlt insoweit die Unterscheidungskraft, wenn es von den maßgeblichen Verkehrskreisen in dem Sinn wahrgenommen wird, dass es - ohne als Herkunftshinweis verstanden zu werden - Informationen über die Art der mit ihm gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen vermittelt (mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 08.05.2008 - C-304/06 P, Slg. 2008, I-3297 - Eurohypo zu Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL und Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV).
4. Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukommt. Dabei sind die in der betreffenden Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten sowie - wenn das angemeldete oder ein ähnliches Zeichen bereits benutzt wird - die Kennzeichnungsgewohnheiten und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung des Verkehrs, ob ein Zeichen im Einzelfall als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Ware oder Dienstleistung verstanden wird, kann auch dadurch beeinflusst werden, dass Marken bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise an bestimmten Stellen angebracht werden.
5. Einer Beschränkung der Marke darauf, dass der Schutz nur für die Anbringung des Zeichens an einer bestimmten Stelle begehrt wird (sogenannte Positionsmarke), bedarf es nicht, wenn - wie im Regelfall - praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten der Anbringung des Zeichens an verschiedenen Stellen auf oder außerhalb der Ware oder Dienstleistung in Betracht kommen, bei denen das Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird.
6. Im Eintragungsverfahren setzt die Annahme der Unterscheidungskraft nicht voraus, dass grundsätzlich jede denkbare Verwendung des Zeichens markenmäßig sein muss. Es genügt vielmehr, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das angemeldete Zeichen bei den Waren oder Dienstleistungen, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird (BGH, Beschluss vom 24.04.2008 - Az. I ZB 21/06, MIR 2008, Dok. 291 - Marlene-Dietrich-Bildnis).
MIR 2010, Dok. 115
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 11.08.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2214
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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