Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 16.07.2009 - I ZR 140/07
Versandkosten bei Froogle - Bei der Werbung für Waren in Preisvergleichslisten einer Preissuchmaschine genügt es nicht, wenn die zum Kaufpreis hinzukommenden Versandkosten erst auf der eigenen Internetseite des Werbenden genannt werden.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 5a Abs. 3 Nr. 3; PAngV § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 6
Leitsätze:*1. Bei einer Werbung für Waren in Preisvergleichslisten einer Preissuchmaschine dürfen die zum Kaufpreis hinzukommenden
Versandkosten nicht erst auf der eigenen Internetseite des Werbenden genannt werden, die mit dem Anklicken der Warenabbildung
oder des Produktnamens erreicht werden kann.
2. Die Werbung für Waren in der Preisvergleichsliste einer Preissuchmaschine (hier: Froogle) stellt eine Werbung unter Angabe von Preisen
zum Abschluss eines Fernabsatzvertrages dar. In einer solchen Werbung sind gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV auch die anfallenden
Versandkosten in einer den Erfordernissen des § 1 Abs. 6 PAngV entsprechenden Weise anzugeben.
3. Im Rahmen von Preisvergleichslisten erwartet der Verbraucher bereits die Angabe des Endpreises sowie aller zusätzlichen Kosten, insbesondere
der Versandkosten. Er rechnet nicht damit, dass der in einer Preisvergleichsliste angegebene Preis noch unvollständig ist und
näheres nur etwa über die Internetseite des konkreten Anbieters zu erfahren ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 04.10.2007 - I ZR 143/04,
MIR 2007, Dok. 412 - Versandkosten).
Nach der Lebenserfahrung trifft der Verbraucher mit Hilfe von Preisvergleichslisten bereits eine gewisse Vorauswahl und dies naturgemäß auch
zugunsten der preislich günstigsten Angebote. Wird der Verbraucher erst hiernach auf zusätzliche Versandkosten hingewiesen,
ist die für den Kaufentschluss wichtige Vorauswahl bereits getroffen.
4. Bei den Versandkosten handelt es sich um wesentliche Merkmale des beworbenen Produkts, auf die bei Angeboten oder bei einer Werbung unter
Angabe von Preisen zum Abschluss von Fernabsatzverträgen hingewiesen werden muss (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 UWG).
5. Die Nichtangabe von Versandkosten in Preisvergleichlisten einer Preissuchmaschine beeinträchtigt den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und
der Verbraucher mehr als nur unerheblich (§ 3 UWG a.F.) bzw. ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern
spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UWG n.F.). Die Nichtberücksichtigung der Versandkosten führt dazu, dass das betreffende Angebot
in der Günstigkeitshierarchie der Preissuchmaschine weiter oben erscheint. Bereits hierdurch wird der Nutzer verleitet sich näher mit dem - günstigeren -
Angeboten zu befassen (Anlockeffekt).
6. Soweit es bei Verstößen im Rahmen des § 4 Nr. 11 UWG regelmäßig um Gesetzesverstöße geht, für die in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen andere
- als wettbewerbsrechtliche - Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind, führen solche anderweitigen Sanktionsmöglichkeiten nicht zum Wegfall
der Spürbarkeit des Verstoßes i.S.v. § 3 UWG n.F. (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2000 - Az. I ZR 210/98 - Immobilienpreisangaben; BGH, Urteil vom 05.07.2001 -
Az. I ZR 104/99 - Fernflugpreise).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 15.01.2010
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2108
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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