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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

Kalle, gib mal Zeitung! - Zu den wettbewerbsrechtlichen Grenzen humorvoller und ironischer vergleichender Werbung.

BGH, Urteil vom 01.10.2009 – Az. I ZR 134/07 – Gib mal Zeitung!; Vorinstanzen; LG Hamburg – Urteil vom 07.04.2006 - Az. 408 O 97/06; OLG Hamburg – Urteil vom 11.07.2007 - Az. 5 U 108/06, AfP 2008, 387

MIR 2009, Dok. 196, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.10.2009 (Az. I ZR 134/07) seine Rechtsprechung zu den Grenzen humorvoller Werbevergleiche präzisiert. Danach stelle eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgebe oder von den Adressaten als Abwertung verstanden werde.

Zur Sache

Im Verlag der Klägerin erscheint die BILD-Zeitung, die Beklagte verlegt "die tageszeitung" (taz). Die Beklagte warb im Jahr 2005 mit einem Kino-Werbespot für die taz.

Im ersten Teil des Werbepots ist vor einem als "Trinkhalle" bezeichneten Zeitungskiosk ein mit dem Logo der BILD-Zeitung versehener, leerer Zeitungsständer zu sehen. Ein Kunde, der nur mit einem Unterhemd und einer Jogginghose bekleidet ist, fordert den Inhaber des Kiosks auf: "Kalle, gib mal Zeitung", worauf dieser entgegnet: "Is aus". Auf Nachfrage des Kunden: "Wie aus?", schiebt der Kioskinhaber wortlos eine taz über den Tresen. Der Kunde reagiert hierauf mit den Worten: "Wat is dat denn? Mach mich nicht fertig, Du" und wirft die taz nach einem Blick in die Zeitung verärgert zurück auf den Ladentisch. Der Kioskinhaber holt nun eine unter dem Tresen versteckte BILD-Zeitung hervor, die er dem Kunden gibt. Daraufhin brechen beide in Gelächter aus. Im zweiten Teil des Werbespots ist vor der "Trinkhalle" ein nunmehr mit BILD-Zeitungen gefüllter Zeitungständer zu sehen. Der Kunde verlangt aber nun: "Kalle, gib mal taz". Der Kioskinhaber ist so verblüfft, dass er dieser Aufforderung nicht nachkommt. Der Kunde bricht in Gelächter aus, in das der Kioskinhaber einstimmt. Am Ende beider Teile des Werbespots ist der Text eingeblendet: "taz ist nicht für jeden. Das ist OK so."

Die Klägerin sah in diesem Werbespot eine nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlautere vergleichende Werbung und nahm die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Vorinstanzen gaben der Klage weitgehend statt. Nach Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts überschreite die Beklagte mit dem Werbespot, auch wenn dieser durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sei, die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen. Sie versuche, ihre Zeitung werblich herauszustellen, indem sie ein vernichtendes Bild von der trostlosen Sozialstruktur und den (fehlenden) intellektuellen Fähigkeiten eines typischen BILD-Zeitungslesers zeichne und damit die Leserschaft und die Zeitung der Klägerin ohne sachlichen Grund abqualifiziere.

Entscheidung des BGH: Die Grenzen humorvoller und ironischer vergleichender Werbung werden nicht überschritten - Werbespot der taz nicht wettbewerbswidrig

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Werbevergleichs ist - so der Bundesgerichtshof - auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt ist.

Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte stelle daher erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgebe oder von den Adressaten der Werbung wörtlich, d.h. ernst genommen und damit als Abwertung verstanden werde. Der Werbespot der Beklagten sei danach nicht als wettbewerbswidrig anzusehen, so der BGH. Er bringe lediglich zum Ausdruck, dass die taz nicht den Massengeschmack anspreche - also "nicht für jeden" sei. Der durchschnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich bei der Darstellung um eine humorvolle Überspitzung handele, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle.

(tg) - PM Nr. 201/2009 des BGH vom 01.10.2009

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 01.10.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2038
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