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Rechtsanwalt Thomas Gramespacher

Ulrike Gedert: Der angemessene Schadenersatz bei der Verletzung geistigen Eigentums

Edewecht: OlWIR Verlag, 2008, 326 Seiten, 39,80 EUR

MIR 2009, Dok. 180, Rz. 1-12


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Im 21. Jahrhundert ist das Bedürfnis zum Schutze „geistigen Eigentums“ dramatisch gewachsen, nicht zuletzt, weil dessen Verletzung mitunter Strukturen organisierter Kriminalität angenommen hat. Der weltweit durch die so genannte „Produkt- und Markenpiraterie“ entstandene und in Zukunft entstehende Schaden erreicht weltweit Milliardenhöhe. Jedoch nicht nur diese „gewerbsmäßigen Schutzrechtsverletzungen“, sondern auch solche „privater Natur“ können Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.

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Auf Rechtsfolgenebene stellen sich damit stets dieselben Fragen: Welche Instrumentarien stehen zur Verfügung, um den durch solche Schutzrechtsverletzungen entstandenen Schaden – auch der Höhe nach - angemessen auszugleichen? Steht uns in Deutschland hier ein zeitgemäßes gerechtes und effizientes System zur Verfügung?

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Die vorliegende Untersuchung versucht diese und einige andere wichtigen Fragen im Zusammenhang mit einem „gerechten Schadenausgleich“ bei Verletzungen des geistigen Eigentums zu beantworten und möchte eine Empfehlung für die Ausgestaltung einer gerechteren Schadenersatzregelung für die Verletzung geistigen Eigentums aussprechen. Letztlich sieht die Verfasserin in Ansehung von Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG (Durchsetzungsrichtlinie bzw. Enforcement-Richtlinie) den Ansatz für einen angemessenen Schadensersatz bei (gewerbsmäßigen) Schutzrechtsverletzungen in einer vervielfachten Lizenzgebühr.

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Die Arbeit trägt zunächst (Kapitel 1) grundlegende Ansätze und Prinzipien zusammen und erläutert den weiteren Gang der Untersuchung.

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Der folgende Abschnitt (Kapitel 2) behandelt in einem historischen Abriss die Entstehung geistigen Eigentums, nimmt die für ein tieferes Verständnis wichtigen Definitionen der Schutzobjekte geistigen Eigentums vor und erläutert Formen ihrer Verletzung. Begriffe wie die des geistigen Eigentums, der Nachahmung, der Piraterie und etwa der Plagiate, Raubkopien sowie weiterer Schutzrechtsverletzungen werden geklärt und erläutert. Weiterhin werden (mögliche) Ursachen für die Zunahme von Schutzrechtsverletzungen dargestellt, die an den Phänomenen der Digitalisierung und Globalisierung abgeleitet werden. Schließlich werden Materialien zu den ökonomischen Auswirkungen von Schutzrechtsverletzungen ausgewertet und zusammengefasst.

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Das dritte (3.) Kapitel der Arbeit behandelt die Rechtsfolgen der Verletzung geistigen Eigentums nach deutschem Recht mit einem klaren Fokus auf dem Schadenersatzanspruch und seiner Bemessung. Eingehende Beachtung finden hierbei gleichermaßen die verschiedenen Berechnungsmethoden „konkret entstandener Schaden“, „Lizenzanalogie“ und „Herausgabe des Verletzergewinns“ sowie die flankierenden Ansprüche, vor allem der für die Bezifferung wichtige Auskunftsanspruch. Neben der weiteren Darstellung strafrechtlicher Sanktionen und behördlicher Befugnisse werden über diese juristischen Aspekte hinaus auch mögliche unternehmerische – technische - Maßnahmen zur (effektiven) Bekämpfung von Schutzrechtsverletzungen diskutiert. Dem häufig grenzüberschreitenden Charakter von Schutzrechtsverletzungen zu Grunde liegenden Lebenssachverhalten wird durch die Darstellung von deren internationalen Dimensionen Rechnung getragen. Hier sind die Ausführungen etwa zum internationalen Verfahrensrecht genauso hervorzuheben wie die Behandlung des US-amerikanischen Schadensrechts (Stichwort „punitive damages“).

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Kapitel 4 der Arbeit widmet sich sodann der Frage, wie ein angemessener Schadenersatzanspruch rechtlich zukünftig ausgestaltet werden sollte. Hierbei werden einschlägige EG-Rechtsakte zum Schutze des geistigen Eigentums, die Richtlinie 2004/48/EG (dort insbesondere Art. 13) sowie deren Umsetzung ins nationale Recht dargelegt und es erfolgt eine Darstellung und Bewertung der Tendenzen zur rechtlichen Ausgestaltung des Schadenersatzanspruches in der Rechtssetzung, Rechtsprechung und Literatur.

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Das 5. Kapitel „Perspektiven im Haftungs- und Schadenersatzrecht des geistigen Eigentums“ fasst die Untersuchungsergebnisse zusammen:

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Durch das Durchsetzungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums - BGBl. I 2008, S. 1191 ff – nunmehr im Wesentlichen in Kraft seit 01.09.2008) sei zwar eine Kodifikation der durch die Rechtsprechung anerkannten Berechnungsmethoden "Verletzergewinn" und "Lizenzanalogie" vorgenommen worden (§ 97 Abs. 2 UrhG n.F.). Das Kriterium der „Angemessenheit“ gebe den Gerichten zwar grundsätzlich die Möglichkeit, im Einzelfall zum sachgerechten Schadensausgleich den Schadenersatz höher als die Lizenzgebühr zu bemessen. Zumindest theoretisch erfolge ein angemessener Ausgleich des Schadens dem aktuellen Wortlaut von § 97 Abs. 2 UrhG n.F. nach aber bereits durch die Verurteilung eines Schädigers zur Zahlung der „angemessenen Lizenzgebühr“. Demgegenüber eröffne Art. 13 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2004/48/EG die Möglichkeit, eine Regelung zu schaffen, nach der Schadensersatz in mehrfacher Höhe der üblichen Lizenzgebühr zugesprochen werden kann („...Faktoren wie mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr...“).

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Nach einem modernen Verständnis des Schadensersatzrechts stehe der Gedanke der Prävention (Abschreckungsfunktion) allerdings neben der Ausgleichsfunktion. Die Schwierigkeiten beim Schutz geistigen Eigentums vor Angriffen Dritter mache die Abschreckung potentieller Verletzer zu einem zwingend erforderlichen Schutzinstrument. Nach aktuellem Recht sei die Ausgestaltung der Schadenersatzansprüche insofern als eine Schwachstelle im System des Schutzes geistigen Eigentums zu identifizieren, die mit Hinblick auf Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG (Durchsetzungsrichtlinie) und die dort eröffnete Möglichkeit, eine Regelung zu schaffen, nach der Schadensersatz in mehrfacher Höhe der üblichen Lizenzgebühr zugesprochen werden kann (Vervielfachung der Lizenzgebühr), durch den Gesetzgeber beseitigt werden sollte. Mit der Androhung einer Vervielfachung der Lizenzgebühr könne auf dem Boden der bisherigen Dogmatik des Schadenersatzrechts im Bereich der gewerbsmäßigen Schutzrechtsverletzungen die gewünschte präventive Wirkung erreicht werden.

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Sieben zusammenfassende Thesen zu den Ergebnissen der Arbeit bilden deren Abschluss. Ein umfassendes Literatur-, Rechtsprechungs- und (Internet-) Quellenverzeichnis runden das Werk in der üblichen Form ab.

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Im Kontext seiner wissenschaftlichen Fragestellung bietet das vorliegende Werk damit einen fundierten Überblick über die praktischen und rechtlichen Aspekte des Schadensersatzanspruches bei der Verletzung geistigen Eigentums. Ulrike Gedert gelingt nicht nur die Vorlage einer wissenschaftlich beachtenswerten Ausarbeitung, sondern auch eine aktuelle und moderne Abhandlung wichtiger Fragstellungen des Schadenersatzrechts im „Grünen Bereich“, die nicht zuletzt dem forensisch und beratend tätigen Juristen in der täglichen Praxis immer wieder begegnen. Zum vertieften Einstieg in die Dogmatik und den „Sinn und Unsinn“ der Schadensberechnung dürfte das Buch jede Fach- und Handbibliothek über seinen aktuellen Bezug hinaus bereichern.



Online seit: 15.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2022
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