Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 26.05.2009 - VI ZR 174/08
Getrennte Abmahnungen, dieselbe Angelegenheit? - Zur Frage, wann getrennt erfolgte Abmahnungen wegen der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Wort- und Bildberichterstattung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit betreffen.
BRAGO §§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 Satz 1; ZPO §§ 287, 563 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:*1. Voraussetzung eines (Kosten-) Erstattungsanspruchs (hier für getrennt erfolgte Abmahnungen wegen einer Wortberichterstattung einerseits und wegen
einer Bildberichterstattung andererseits) ist, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu seinem Rechtsanwalt zur Zahlung der in Rechnung gestellten
Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis des Geschädigtem zum Schädiger aus der maßgeblichen Sicht des
Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war
(sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung - vgl. BGH Urteil vom 04.03.2008 - Az. VI ZR 176/07, MIR 2008, Dok. 123). Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit
ist hierbei als echte Anspruchsvoraussetzung vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen, während der Tatrichter die konkreten Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen hat.
2. Anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie
sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit
gesprochen werden kann. Die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, kann hierbei nicht allgemein beantwortet werden,
sondern lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten, wobei der Inhalt des erteilten Auftrags
maßgebend ist (vgl. BGH Urteil vom 04.12.2008 - Az. VI ZR 277/06).
3. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat.
Ein einheitlicher Rahmen anwaltlicher Tätigkeit liegt auch dann noch vor, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten
verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen
Sinne ist demgegenüber das Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände anwaltlicher
Tätigkeit umfassen, die das konkreten Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnen, auf die sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht.
4. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens anwaltlicher Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, dass mehrere Gegenstände insoweit
einheitlich von dem beauftragten Rechtsanwalt bearbeitet werden können, das sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem
einheitlichen Vorgehen (z.B. einem Abmahnschreiben) geltend gemacht werden können (vgl. BGH Urteil vom 11.12.2003 - Az. IX ZR 109/00;
BGH Urteil vom 03.05.2005 - Az. IX ZR 401/00).
5. Ein - für die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtliche Sinne erforderlicher - innerer Zusammenhang zwischen verschiedenen Gegenständen ist
dann zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen
Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH Urteil vom 04.03.2008 - Az. VI ZR 176/07, MIR 2008, Dok. 123;
BGH Urteil vom 11.12.2003 - Az. IX ZR 109/00; BGH Urteil vom 03.05.2005 - Az. IX ZR 401/00).
6. Zur Frage, wann getrennt erfolgte Abmahnungen wegen der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Wort- und
Bildberichterstattung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit betreffen (Rückläufer zum Senatsurteil vom 4. Dezember 2007 - Az. VI ZR 277/06).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 12.07.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1992
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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